OGH: Zur Frage der analogen Anwendung der §§ 825 ff ABGB (auch) auf Mithalter von Forststraßen
Sollten sowohl der Kläger als auch der Beklagte Mithalter (iSd § 33 Abs 3 ForstG) der über das Grundstück des Klägers führenden Forststraße sind, weil sie beide die Kosten für deren Erhaltung tragen und tatsächlich Verantwortliche für diese Straße sind, wären auf ihre Rechtsbeziehung betreffend den Gebrauch und die Nutzung der insofern „gemeinsamen Sache“ die für die Eigentumsgemeinschaft geltenden Regeln der §§ 825 ff ABGB analog anzuwenden
§ 33 ForstG, §§ 825 ff ABGB, § 523 ABGB
GZ 1 Ob 210/19t, 20.01.2020
OGH: Beim Forstweg handelt es sich um eine Forststraße iSd (früheren) § 2 Abs 2 Forstrechts-Bereinigungsgesetz bzw (nunmehr) § 59 Abs 2 iVm § 184 Z 9 Abs 1 ForstG. Nach der Legalservitut des § 33 Abs 1 ForstG darf jedermann, unbeschadet der Bestimmungen der Absätze 2 und 3 und des § 34 ForstG, den Wald zu Erholungszwecken betreten und sich dort aufhalten. Eine darüber hinausgehende Benutzung, wie Lagern bei Dunkelheit, Zelten, Befahren oder Reiten, ist nach § 33 Abs 3 ForstG hinsichtlich der Forststraßen nur mit Zustimmung jener Person, der die Erhaltung der Forststraße obliegt, zulässig. Der Straßenerhalter muss nicht mit dem Waldeigentümer identisch sein. Der in § 33 Abs 3 ForstG verwendete Begriff „Erhalter der Forststraße“ stellt auf den ab, der die Kosten für die Errichtung und Erhaltung der Forststraße trägt und entsprechende Maßnahmen setzen kann. „Halter“ eines Wegs ist der für die Straße tatsächlich Verantwortliche und Verfügungsberechtigte.
Behauptet wird, dass eine „Rechtsgemeinschaft“ zwischen den Parteien über die Nutzung des Forstwegs auf dem Grundstück des Klägers bestehe. Mit den Parteien wird im fortzusetzenden Verfahren zu erörtern sein, aufgrund welcher konkreter Umstände sich eine solche „Rechtsgemeinschaft“ ergeben soll, und gegebenenfalls werden entsprechende Feststellungen zur Beurteilung des Bestehens einer solchen zu treffen sein.
Sollte sich herausstellen, dass sowohl der Kläger als auch der Beklagte Mithalter (iSd § 33 Abs 3 ForstG) der über das Grundstück des Klägers führenden Forststraße sind, weil sie beide die Kosten für deren Erhaltung tragen und tatsächlich Verantwortliche für diese Straße sind, wären auf ihre Rechtsbeziehung betreffend den Gebrauch und die Nutzung der insofern „gemeinsamen Sache“ die für die Eigentumsgemeinschaft geltenden Regeln der §§ 825 ff ABGB analog anzuwenden. Diese Bestimmungen sind subsidiär in allen Gemeinschaftsfällen heranzuziehen, soweit diese weder durch Gesetz noch durch Vertrag besonders geregelt sind. Die Vorschriften des 16. Hauptstücks des ABGB regeln va das Innenverhältnis der Gemeinschaft. Unter „Gemeinschaft“ ist dabei das Rechtsverhältnis zwischen jenen Personen zu verstehen, denen ein Recht gemeinsam zusteht, sodass sie alle zusammen Inhaber jener Rechtsmacht sind, die den Inhalt eben dieses Rechts bildet. Wenn sowohl Kläger als auch Beklagter Mithalter der Forststraße auf dem Grundstück des Klägers wären, kann eine solche Gemeinschaft zwischen ihnen bestehen. Eine analoge Anwendung der §§ 825 ff ABGB auch auf die Rechtsbeziehung zwischen Mithaltern erscheint daher gerechtfertigt. Geht man aber davon aus, dass die Grundsätze der Eigentumsgemeinschaft auch auf diese Rechtsgemeinschaft anzuwenden sind, hätte die Regelung des Benützungsrechts zwischen den beiden Mithaltern und damit auch die Verfolgung des Anspruchs des Klägers, dass die Mitbenützung der Forststraße durch den Beklagten zu Zwecken der Jagd nicht berechtigt sei, im Außerstreitverfahren zu erfolgen (§ 838a ABGB).
Sollten die Parteien aber nicht Mithalter der Forststraße sein, ist zu beachten, dass § 523 ABGB das Klagerecht nicht nur gegen die (ausdrückliche) Anmaßung einer Servitut, sondern auch gegen jeden unberechtigten Eingriff in das Eigentumsrecht gibt. Die Eigentumsfreiheitsklage steht auch gegenüber demjenigen zu, der in das Eigentumsrecht unbefugterweise eingreift, mag er ein Recht hiezu behaupten oder nicht. Ein Feststellungsinteresse iSd § 228 ZPO ist nach der Rsp schon dann zu bejahen, wenn der Beklagte ein solches Recht – wie hier – behauptet. Bei der Negatorienklage hat der Kläger sein Eigentum und den Eingriff des Beklagten, dieser hingegen die Berechtigung seines Eingriffs zu beweisen.
Der Kläger hat sein Eigentum am Forstweg und den Eingriff des Beklagten nachgewiesen. Der Beklagte konnte aber weder eine Ersitzung des Rechts auf Nutzung des Forstwegs auf dem Grundstück des Klägers zu jagdlichen Zwecken noch eine diesbezügliche Vereinbarung (oder Servitut) beweisen. Das Feststellungsbegehren wäre in diesem Fall daher berechtigt.