19.02.2020 Zivilrecht

OGH: § 271 ABGB – Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters

Auch der bloße Hinweis auf eine mögliche Vertretung durch nahe Angehörige schließt im konkreten Einzelfall die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters nicht zwingend aus


Schlagworte: Erwachsenenschutz, Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreter, verstärktes Subsidiaritätsprinzip
Gesetze:

 

§ 271 ABGB, § 268 ABGB

 

GZ 10 Ob 76/19b, 19.11.2019

 

OGH: Einen Verstoß gegen das in § 271 Z 2 bis 4 ABGB idF des 2. ErwSchG zum Ausdruck gebrachte, zuvor in § 268 Abs 2 ABGB idF des SWRÄG 2006 geregelte und nun verstärkte Subsidiaritätsprinzip zeigt die Betroffene nicht auf, wenn sie auf die bestehende oder mögliche Vertretung durch nahe Angehörige verweist.

 

Der OGH stellt bei der Beurteilung der Frage, ob eine (Vorsorge-)Vollmacht die Bestellung eines Sachwalters ausschließt, darauf ab, dass das Handeln des Bevollmächtigten keine Nachteile für die betroffene Person nach sich ziehen und ihr Wohl nicht gefährden darf. Die Bestellung eines Sachwalters ist dann unzulässig, wenn sich die betroffene Person der Hilfe anderer in rechtlich einwandfreier Weise bedienen kann.

 

Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass der im Jahr 2014 („schlicht“ iSd § 284g Satz 2 ABGB aF) bevollmächtigte Sohn der Betroffenen deren Interessen eindeutig zuwiderhandelte und als Vertreter nicht geeignet war, wird im Revisionsrekurs nicht mit konkreten Gegenargumenten in Zweifel gezogen. Der bloße Hinweis auf eine mögliche Vertretung durch nahe Angehörige (als Vorsorgebevollmächtigte, gewählte oder gesetzliche Erwachsenenvertreter) schließt im konkreten Einzelfall die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters nicht zwingend aus. Die als einzige namentlich erwähnte Tochter des Bevollmächtigten hat nach der Aktenlage wenig Kontakt zu der Betroffenen. Kontaktdaten hat ihr Vater nicht bekanntgegeben. Eine Bereitschaft, eine Erwachsenenvertretung zu übernehmen, hat die Enkelin nie kommuniziert. Für die Notwendigkeit einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung spricht (neben dem emotionalen Abhängigkeitsverhältnis der Betroffenen zu ihrem Sohn, das eine Vertretung durch die Enkelin nicht beseitigen würde) auch der Umstand, dass das Erstgericht monatelang versuchte, Lösungen für eine alternative Unterbringung, Betreuung und Vertretung zu finden, was letztlich an nicht eingehaltenen Versprechungen des Sohnes und seiner geschiedenen Ehegattin scheiterte.

 

Ein ausdrücklich in das Gesetz aufgenommenes Kriterium für die Auswahl des gerichtlichen Erwachsenenvertreters ist nach § 273 Abs 1 ABGB nF dessen Eignung. Die Betroffene setzt sich im Revisionsrekurs inhaltlich mit den – nach der Aktenlage berechtigten – Zweifeln des Rekursgerichts an der Eignung des Sohnes nicht auseinander. Sie legt damit nicht dar, dass die Vorinstanzen den Ermessensspielraum, den ihnen auch die neue Rechtslage ungeachtet der Verstärkung des Wunsches der volljährigen Person bei der Auswahl des Erwachsenenvertreters einräumt überschritten haben, wenn sie die gewünschte Bestellung des Sohnes als dem Wohl seiner Mutter widersprechend ablehnten.