VwGH: Gemeiner Wert iSd § 10 Abs 2 BewG (iZm niedrigeren Bodenwerten benachbarter Grundstücke, Hochwasserkatastrophe)
Der gemeine Wert wird nach § 10 Abs 2 BewG durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre; dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen; da bei einer Wertfortschreibung gem § 23 BewG die Wertverhältnisse zum Hauptfeststellungszeitpunkt zugrunde zu legen sind, sind Vergleichspreise aus Grundstücksverkäufen um den Hauptfeststellungszeitpunkt (Anm: hier 1973) im Allgemeinen später erzielten Verkaufspreisen vorzuziehen; der behördlich festgestellte Einheitswert benachbarter Grundstücke ist hingegen kein im Gesetz vorgesehener Vergleichsmaßstab für die Ermittlung des Bodenwertes
§ 10 BewG, § 23 BewG, § 53 BewG, § 55 BewG, § 303 BAO
GZ Ra 2018/13/0066, 13.11.2019
VwGH: Dem Revisionsvorbringen, wonach eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu erfolgen habe, weil in den Einheitswertbescheiden benachbarter Grundstücke weit niedrigere Bodenwerte ausgewiesen würden, ist zu entgegnen, dass der Bodenwert gem § 53 Abs 2 i m § 55 Abs 1 BewG mit dem gemeinen Wert zu bewerten ist. Der gemeine Wert wird nach § 10 Abs 2 BewG durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Da bei einer Wertfortschreibung gem § 23 BewG die Wertverhältnisse zum Hauptfeststellungszeitpunkt zugrunde zu legen sind, sind Vergleichspreise aus Grundstücksverkäufen um den Hauptfeststellungszeitpunkt (Anm: hier 1973) im Allgemeinen später erzielten Verkaufspreisen vorzuziehen. Der behördlich festgestellte Einheitswert benachbarter Grundstücke ist hingegen kein im Gesetz vorgesehener Vergleichsmaßstab für die Ermittlung des Bodenwertes. Im Hinblick darauf stellt der behauptete Umstand, dass die Bodenwerte von Nachbarliegenschaften differieren, von vornherein keine Tatsache dar, die zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid führen kann.
Die Tatsache, dass sich das auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück befindliche Gebäude seit der Hochwasserkatastrophe im Jahr 2002 in einem desolaten Zustand befindet, geht bereits aus dem Antrag auf Neufestsetzung des Einheitswertes vom 22. Dezember 2005 hervor und wurde - worauf im angefochtenen Erkenntnis zutreffend hingewiesen wird - im Bescheid vom 12. Mai 2006 berücksichtigt. Der desolate Zustand des Hauses stellt daher keine neu hervorgekommene Tatsache iSd § 303 Abs 1 lit b BAO dar.
Soweit die Revisionswerberin den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens darauf stützt, dass im Zuge einer - nach Ergehen des Bescheides vom 12. Mai 2006 erstellten - Studie hervorgekommen sei, dass (ua) das gegenständliche Grundstück "bei einem 100-jährlichen Hochwasser (HQ-100) überflutet" werde und gemäß den einschlägigen Bestimmungen der Bauordnung "HQ-100 gefährdete Flächen im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan nicht mehr als Bauland ausgewiesen werden" dürften, ist ihr Folgendes zu erwidern:
Durch die Hochwasserkatastrophe im Jahr 2002 kam hervor, dass das verfahrensgegenständliche Grundstück im Überschwemmungsgebiet liegt. Durch diesen im Antrag vom 22. Dezember 2005 geltend gemachten Umstand hat sich der (Boden)Wert des Grundstücks objektiv vermindert, weshalb das Finanzamt am 12. Mai 2006 einen Feststellungsbescheid zum 1. Jänner 2003 (Wertfortschreibung gem § 21 Abs 1 Z 1 lit. b BewG) erlassen hat, mit dem der Einheitswert entsprechend herabgesetzt worden ist.
Folgt man den Ausführungen in der Revision, so ging man bei Ergehen des Feststellungsbescheides zum 1. Jänner 2003 von einem einmaligen Ereignis (1500-jährliches Hochwasser) aus, das für die Festlegung des Einheitswertes weit weniger relevant sei als eine zwischenzeitig vorliegende Studie, die von einem 100- jährlichen Hochwasserereignis ausgehe und zur Einbeziehung des verfahrensgegenständlichen Grundstücks in die HQ-100 Gefahrenzone sowie zu einer Änderung des Flächenwidmungsplanes mit Einschränkung der Bebauungsmöglichkeit geführt habe. Nach diesem Vorbringen hat sich durch die - nach Ergehen des Bescheides vom 12. Mai 2006 erstellte - Studie die Gefahrenprognose, die im hypothetischen Verkaufsfall den wertbestimmenden Faktor bildet, geändert. Die Veröffentlichung der Studie hat demnach zu einer weiteren (Boden)Wertminderung des verfahrensgegenständlichen Grundstücks geführt, der das Finanzamt gemäß den vorliegenden Verwaltungsakten durch Erlassen eines neuen Feststellungsbescheides zum 1. Jänner 2010 auch Rechnung getragen hat. Die von der Revision ins Treffen geführte Studie stellt somit eine für Zwecke der Einheitswertermittlung neue und nicht eine neu hervorgekommene Tatsache iSd § 303 Abs 1 lit b BAO dar.