12.01.2020 Steuerrecht

VwGH: Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln iSd § 303 BAO

Das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln iSd § 303 BAO bezieht sich auf den Wissensstand (auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres; entscheidend ist, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren; dass die Prüfungsabteilung in einem ein anderes Prüfungsjahr betreffenden Prüfungsverfahren oder im Abgabenverfahren eines anderen Steuerpflichtigen von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis hatte, steht der Wiederaufnahme nicht entgegen


Schlagworte: Wiederaufnahme, neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel
Gesetze:

 

§ 303 BAO

 

GZ Ra 2019/13/0102, 13.11.2019

 

VwGH: Es entspricht der stRsp des VwGH, dass das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln nur aus der Sicht der jeweiligen Verfahren derart zu beurteilen ist, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Dabei ist das Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens und nicht aus anderen Verfahren, bei denen diese Tatsachen möglicherweise erkennbar waren, zu beurteilen. Das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln iSd § 303 BAO bezieht sich damit auf den Wissensstand (auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres. Entscheidend ist, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren. Dass die Prüfungsabteilung in einem ein anderes Prüfungsjahr betreffenden Prüfungsverfahren oder im Abgabenverfahren eines anderen Steuerpflichtigen von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis hatte, steht der Wiederaufnahme nicht entgegen.

 

Ein behördliches Verschulden an der Nichtfeststellung der maßgeblichen Tatsachen oder Beweismittel im Erstverfahren schließt die Wiederaufnahme von Amts wegen nicht aus.

 

Nach den Sachverhaltsannahmen des BFG war die abgabenfestsetzende Stelle zum Zeitpunkt der Erlassung der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2008 nicht in Kenntnis der Tatsache der Einbringung der N KEG in die R GmbH; insbesondere sei dies auch aus den Abgabenerklärungen des Revisionswerbers, in denen weiterhin Verluste geltend gemacht worden seien, nicht ersichtlich gewesen. Erst im Zuge der Außenprüfung bei der R GmbH im Jahr 2010 sei bekannt geworden, dass aus den Einkünftefeststellungen der N KEG resultierende Verlustvorträge bei den ehemaligen Gesellschaftern geltend gemacht worden seien.

 

Auf Basis dieser Feststellungen lag aber für die abgabenfestsetzende Stelle eine neu hervorgekommene Tatsache (Einbringung des Betriebes der N KEG in die R GmbH), nicht bloß eine abweichende rechtliche Beurteilung (zu den Rechtsfolgen dieser Einbringung: Übergang des Verlustabzugs - freilich nur bei Vorliegen näher genannter Voraussetzungen - gem § 21 UmgrStG) eines bereits bekannten Sachverhalts vor. Dass es der abgabenfestsetzenden Stelle bei näherer Prüfung - etwa auch (wie in der Revision geltend gemacht) bei Einsichtnahme in das Firmenbuch - möglich gewesen wäre, diesen Sachverhalt bereits im Erstverfahren aufzuklären, steht der Verfügung der Wiederaufnahme nicht entgegen. Dass sich - wie in der Revision weiter behauptet - der Sachverhalt nicht geändert hat, ist gerade Voraussetzung der vom Revisionswerber bekämpften Wiederaufnahme im Hinblick auf einen neu hervorgekommenen, nicht neu entstandenen Sachverhalt. Dass der Sachverhalt einem Prüfer im Abgabenverfahren eines anderen Steuerpflichtigen bekannt war, steht der Wiederaufnahme nach der stRsp des VwGH nicht entgegen.