10.12.2019 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Zulässigkeit des Rechtswegs iZm Versorgungsleistungen nach dem ÄrzteG

Für die Frage, ob es sich bei einer Streitigkeit über eine Versorgungsleistung nach dem ÄrzteG um eine Verwaltungssache oder eine gerichtliche Rechtssache handelt, ist § 65 ASGG analog anzuwenden


Schlagworte: Ärztekammer, Versorgungsleistung, Witwenpension, Aufrechnung, Bescheid, sukzessive Kompetenz, Zulässigkeit des Rechtswegs
Gesetze:

 

§ 1 JN, § 65 ASGG, §§ 97 ff ÄrzteG

 

GZ 4 Ob 163/19b, 24.10.2019

 

OGH: Streitigkeiten über gesetzliche Pensionsleistungen gehören systematisch zum Sozialversicherungsrecht. Beruhen Pensionsleistungen auf typischen Sozialversicherungsgesetzen (ASVG oder GSVG), so ist die Abgrenzung zwischen Verwaltungssachen und gerichtlichen Sozialrechtssachen (Leistungssachen) in § 65 ASGG normiert. Nach § 65 Abs 1 Z 2 ASGG gehören Rechtsstreitigkeiten über die Pflicht zum Rückersatz einer zu Unrecht empfangenen Versicherungsleistung zu den Sozialrechtssachen; insofern stehen § 65 ASGG und die §§ 354, 367 ASVG zueinander in Beziehung. Um den Anspruch auf Rückersatz einer unrechtmäßig bezogenen Leistung, zB eines Überbezugs, geht es auch dann, wenn der Versicherungsträger aufgrund eines behaupteten Überbezugs eine Aufrechnung auf eine Geldleistung des Anspruchsberechtigten vorgenommen hat. Die Überprüfung der Auszahlung einer bescheidmäßig zuerkannten, dem Grunde und der Höhe nach rechtskräftig festgesetzten Leistung ist aber nach stRsp keine Leistungssache und auch keine bürgerliche Rechtssache iSd § 1 JN und daher den ordentlichen Gerichten entzogen. Das Vorliegen einer Verwaltungssache begründet die Unzulässigkeit des Rechtswegs.

 

Bei einer Witwenpension nach den §§ 97 ff ÄrzteG handelt es sich um eine gesetzliche Versorgungsleistung eines Selbstverwaltungskörpers, die nach ihrer Rechtsnatur mit den Pensionsleistungen eines gesetzlichen Sozialversicherungsträgers vergleichbar ist. Ein sachlicher Grund, die Abgrenzung von Verwaltungssachen und gerichtlichen Rechtssachen nach anderen Kriterien vorzunehmen, als dies vom Gesetzgeber für vergleichbare Fälle ausdrücklich vorgesehen wurde, besteht nicht. Vielmehr liegt der Schluss nahe, dass der Gesetzgeber, hätte er die vorliegende Problematik bedacht, eine idente Regelung vorgesehen hätte. Für die Frage, ob es sich bei einer Streitigkeit über eine Versorgungsleistung nach dem ÄrzteG um eine Verwaltungssache oder eine gerichtliche Rechtssache handelt, ist daher § 65 ASGG analog anzuwenden.

 

Soweit sich die vorliegende Klage auf die Leistung restlicher Witwenpension wegen behaupteter unberechtigter Abzüge bezieht, liegt aber ein Streit über die Auszahlung der bescheidmäßig zuerkannten Versorgungsleistung vor; dabei handelt es sich um eine Verwaltungssache, die den ordentlichen Gerichten entzogen ist. Soweit sich die Klage auf die Leistung restlicher Witwenpension wegen behaupteter unberechtigter Einbehalte nach einer Aufrechnung von Überbezügen bezieht, liegt grundsätzlich eine Leistungssache vor, die aber an die sukzessive Zuständigkeit geknüpft ist und das Vorliegen eines entsprechenden Aufrechnungsbescheids oder Säumnis der Ärztekammer mit der Bescheiderlassung voraussetzt.