19.11.2019 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur Frage, ob auch bei Beendigung der Gründungsprivilegierung iSd § 10b Abs 5 GmbHG die Voraussetzungen nach § 10 Abs 3 GmbHG erfüllt werden müssen

Nach nahezu einhelliger Literatur gilt für die Art der Erfüllung der Einzahlungspflichten – auch wenn § 10b Abs 5 GmbHG nicht auf diesen verweise – § 10 Abs 2 GmbHG entsprechend; dem Zweck der Regelungen der Kapitalaufbringung entsprechend müssten bei der Anmeldung eines Verzichts auf die Gründungsprivilegierung dieselben Unterlagen wie bei einer Gesellschaftsgründung beigelegt werden; konkret gefordert sei etwa die Erklärung der Geschäftsführer, dass die bar zu leistenden Stammeinlagen in dem eingeforderten Betrag eingezahlt worden sind und zur freien Verfügung der Geschäftsführer stünden; auch die Bestätigung eines Kreditinstituts über die Leistung zur freien Verfügung sei der Anmeldung beizulegen; der erkennende Fachsenat schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen schon allein deshalb an, weil es nicht einsichtig wäre, eine GmbH, die die Gründungsprivilegierung beendet, gegenüber einer GmbH besser zu stellen, die von Anfang an keine Gründungsprivilegierung in Anspruch genommen hat; die „§ 10-Erklärung“ hat den Zweck, das Vorliegen der Mindesteinzahlungserfordernisse zu überprüfen, was in erster Linie dem Verkehrs- und Gläubigerschutz dient


Schlagworte: Gesellschaftsrecht, GmbH, Beendigung der Gründungsprivilegierung, § 10-Erklärung
Gesetze:

 

§ 10b GmbHG, § 10 GmbHG

 

GZ 6 Ob 112/19t, 24.09.2019

 

OGH: Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014 wurden das Mindeststammkapital einer GmbH (wieder) auf 35.000 EUR angehoben und gleichzeitig § 10b GmbHG über die Gründungsprivilegierung eingeführt. Wird diese in Anspruch genommen, so ist im Gesellschaftsvertrag für jeden Gesellschafter auch die Höhe seiner gründungsprivilegierten Stammeinlage festzusetzen, die nicht höher als die jeweils übernommene Stammeinlage sein darf. Die Summe der gründungsprivilegierten Stammeinlagen muss mindestens 10.000 EUR betragen. Auf die gründungsprivilegierten Stammeinlagen müssen abweichend von § 10 Abs 1 GmbHG insgesamt mindestens 5.000 EUR bar eingezahlt werden; Sacheinlagen sind ausgeschlossen. Während aufrechter Gründungsprivilegierung sind die Gesellschafter abweichend von § 63 Abs 1 GmbHG nur insoweit zu weiteren Einzahlungen auf die von ihnen übernommenen Stammeinlagen verpflichtet, als die bereits geleisteten Einzahlungen hinter den gründungsprivilegierten Stammeinlagen zurückbleiben.

 

Die Entscheidung 6 Ob 194/17y, die sich mit dem Verhältnis der Gründungsprivilegierung zu Nachschüssen nach §§ 72 ff GmbHG zu befassen hatte, ging unter Verweis auf van Husen davon aus, dass die GmbH bei Inanspruchnahme der Gründungsprivilegierung zwar einerseits ein Stammkapital von 35.000 EUR hat, gleichzeitig aber gründungsprivilegierte Stammeinlagen von lediglich 10.000 EUR bestehen, wovon nur 5.000 bar eingezahlt sein müssen). Dementsprechend sind auch bei der gründungsprivilegierten GmbH die gesamten übernommenen Stammeinlagen mit dem wirksamen Abschluss des Gesellschaftsvertrags bereits entstanden.

 

Gem § 10b Abs 5 GmbHG kann die Gründungsprivilegierung durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrags beendet werden, wobei vor Anmeldung der Änderung zum Firmenbuch „die Mindesteinzahlungserfordernisse nach § 10 Abs 1 zu erfüllen sind“. Nach dieser Gesetzesstelle muss auf jede bar zu leistende Stammeinlage mindestens ein Viertel, jedenfalls aber ein Betrag von 70 EUR eingezahlt sein; soweit auf eine Stammeinlage weniger als 70 EUR bar zu leisten sind, muss die Bareinlage voll eingezahlt sein. Auf die bar zu leistenden Einlagen müssen mindestens insgesamt 17.500 EUR eingezahlt sein.

 

§ 10 Abs 2 GmbHG trifft nähere Bestimmungen über Art und Modalitäten der Leistung, § 10 Abs 3 GmbHG bestimmt, dass in der Anmeldung zum Firmenbuch die Erklärung abzugeben ist, dass die bar zu leistenden Stammeinlagen in dem eingeforderten Betrag bar eingezahlt sind und dass die eingezahlten Beträge sowie die Vermögensgegenstände, die nach dem Gesellschaftsvertrag nicht bar auf die Stammeinlagen zu leisten sind, sich in der freien Verfügung der Geschäftsführer oder des Treuhänders gem Abs 2 befinden. Es ist nachzuweisen, dass die Geschäftsführer in der Verfügung über den eingezahlten Betrag nicht, namentlich nicht durch Gegenforderungen, beschränkt sind. Der Nachweis der Einzahlung der in bar zu leistenden Einlagen ist jedenfalls durch Vorlage einer schriftlichen Bestätigung eines Kreditinstituts oder des Notars als Treuhänder zu führen; für die Richtigkeit der Bestätigung ist das Kreditinstitut oder der Notar als Treuhänder der Gesellschaft verantwortlich. Sind von dem eingezahlten Betrag Abgaben, Gebühren und Kosten bezahlt worden, so ist dies nach Art und Höhe der Beträge nachzuweisen.

 

Nach nahezu einhelliger Literatur gilt für die Art der Erfüllung der Einzahlungspflichten – auch wenn § 10b Abs 5 GmbHG nicht auf diesen verweise – § 10 Abs 2 GmbHG entsprechend. Dem Zweck der Regelungen der Kapitalaufbringung entsprechend müssten bei der Anmeldung eines Verzichts auf die Gründungsprivilegierung dieselben Unterlagen wie bei einer Gesellschaftsgründung beigelegt werden. Konkret gefordert sei etwa die Erklärung der Geschäftsführer, dass die bar zu leistenden Stammeinlagen in dem eingeforderten Betrag eingezahlt worden sind und zur freien Verfügung der Geschäftsführer stünden. Auch die Bestätigung eines Kreditinstituts über die Leistung zur freien Verfügung sei der Anmeldung beizulegen.

 

Der erkennende Fachsenat schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen schon allein deshalb an, weil es nicht einsichtig wäre, eine GmbH, die die Gründungsprivilegierung beendet, gegenüber einer GmbH besser zu stellen, die von Anfang an keine Gründungsprivilegierung in Anspruch genommen hat. Die „§ 10-Erklärung“ hat den Zweck, das Vorliegen der Mindesteinzahlungserfordernisse zu überprüfen, was in erster Linie dem Verkehrs- und Gläubigerschutz dient. Die am Wortlaut des § 10b Abs 5 GmbHG haftende Auslegung dieser Bestimmung durch den Revisionsrekurs überzeugt nicht.

 

Wenn Birnbauer – soweit ersichtlich als einziger – die Auffassung vertritt, bei der Einzahlung handle es sich um einen Fall des § 26 Abs 1 GmbHG (weitere Einzahlung auf ausstehende Stammeinlagen), wobei eine diesbezügliche Anmeldung in vereinfachter Form gem § 11 FBG erfolgen könne, bei der Urkunden grundsätzlich nicht vorgelegt werden, so vermag sich dem der erkennende Senat aus den dargelegten Gründen nicht anzuschließen. Im Übrigen handelt es sich bei der Beendigung der Gründungsprivilegierung nicht bloß um die Leistung einer Einzahlung, sondern um eine Änderung des Gesellschaftsvertrags, die auch erhebliche Auswirkungen auf den Haftungsumfang der Gesellschafter hat.