12.11.2019 Zivilrecht

OGH: § 875 ABGB – Verhandlungsgehilfe / Dritter (iZm Finanzierungsleasings-(Sale-and-lease-back-)Geschäften)

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Mitarbeiter der Lieferantin, von der die Klägerin die Geräte gekauft hatte, nicht der Klägerin als Verhandlungsgehilfe zuzurechnen ist, entspricht der Rsp; die Revision zeigt keine grob unrichtige Anwendung dieser Grundsätze oder eine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung auf; die Darlegungen der Revision, es sei anzunehmen, dass die Klägerin involviert gewesen sei, sie müsse eingebunden gewesen sein, bleiben spekulativ und gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus; aus diesem ergibt sich gerade nicht, dass die Lieferantin iSd dargelegten Rsp mit der Verhandlungsführung oder der Erteilung von Informationen zum Leasinggeschäft beauftragt gewesen wäre; hinzu kommt, dass nach den Bestimmungen des Leasingvertrags der Lieferant ausdrücklich nicht berechtigt war, Erklärungen für die Klägerin abzugeben oder entgegenzunehmen


Schlagworte: Irrtumsanfechtung, Verhandlungsgehilfe, Dritter, Finanzierungsleasings-(Sale-and-lease-back-)Geschäfte, Lieferant
Gesetze:

 

§ 875 ABGB

 

GZ 4 Ob 121/19a, 24.09.2019

 

OGH: Die Kriterien zur Beurteilung der Zurechnung von Verhandlungsgehilfen sind in der Rsp geklärt und wurden auch jüngst in – nahezu idente Finanzierungsleasings-(Sale-and-lease-back-)Geschäfte der Klägerin betreffenden – Parallelfällen (darunter das vom Berufungsgericht angesprochene Verfahren 9 Ob 13/19f; ebenso 4 Ob 41/19m und ähnlich 8 Ob 52/19h) wie folgt dargelegt:

 

Eine Person, deren sich ein Teil im Rahmen von Vertragsverhandlungen als Gehilfe bedient, ist nicht Dritter iSd § 875 ABGB. Als Gehilfe kommt in Betracht, wer auf der Seite des Erklärungsgegners steht und maßgeblich am Zustandekommen des Geschäfts mitgewirkt hat, sofern seine Erklärung zu seinem Aufgabenbereich gehört. Der den Irrtum Veranlassende muss nicht Stellvertreter des Geschäftsherrn bzw mit Vollmacht oder Anscheinsvollmacht ausgestattet sein, er muss vom Geschäftsherrn aber jedenfalls mit der Verhandlungsführung beauftragt sein. Wer sich bei der Führung von Vertragsverhandlungen eines solchen Gehilfen bedient, haftet für einen von diesem veranlassten Irrtum wie für einen, den er selbst veranlasst hätte. In mehreren Entscheidungen des OGH wurden beispielsweise Immobilienmakler als Verhandlungsgehilfen ihrer Auftraggeber angesehen.

 

Nach diesen Grundsätzen bedarf es für die Zurechnung einer Person als Verhandlungsgehilfe iSd § 875 ABGB eines besonderen Zurechnungselements. Dieses Element besteht darin, dass die Person „auf der Seite des Erklärungsgegners“ (des Geschäftspartners des Irrenden) und damit für diesen auftritt. Dazu muss er vom Erklärungsgegner mit der Verhandlungsführung beauftragt oder mit einem bestimmten Aufgabenbereich, zu dem die Verhandlungsführung zählt, betraut worden sein.

 

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Mitarbeiter der Lieferantin, von der die Klägerin die Geräte gekauft hatte, nicht der Klägerin als Verhandlungsgehilfe zuzurechnen ist, geht von diesen Rechtsprechungsgrundsätzen aus. Die Revision zeigt keine grob unrichtige Anwendung dieser Grundsätze oder eine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung auf. Die Darlegungen der Revision, es sei anzunehmen, dass die Klägerin involviert gewesen sei, sie müsse eingebunden gewesen sein, bleiben spekulativ und gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Aus diesem ergibt sich gerade nicht, dass die Lieferantin iSd dargelegten Rsp mit der Verhandlungsführung oder der Erteilung von Informationen zum Leasinggeschäft beauftragt gewesen wäre. Hinzu kommt, dass nach den Bestimmungen des Leasingvertrags der Lieferant ausdrücklich nicht berechtigt war, Erklärungen für die Klägerin abzugeben oder entgegenzunehmen. Rechtliche Feststellungsmängel in diesem Zusammenhang liegen nicht vor.

 

Die unternehmerisch tätige Beklagte hat hier zwei Geräte angeschafft, wovon das klagsgegenständliche für die private Nutzung ihres Vaters bestimmt war. Gehört aber ein Geschäft teils zur privaten, teils zur unternehmerischen Sphäre, so ist es zur Gänze als Unternehmensgeschäft zu werten. Auf die in der Revision angesprochene Frage der kongruenten Anbahnung eines Verbrauchergeschäfts kommt es nicht an.