OGH: Zur außerordentlichen Verwaltung im WEG 2002 (Sanierung von Balkongeländern)
Die an sich gebotene Sanierung schadhaft gewordener Balkongeländer kann zur Maßnahme der ao Verwaltung werden, wenn sie mit ao Bedingungen oder Maßnahmen verknüpft wird, zB wenn die Mit- und Wohnungseigentümer tatsächlich konkret beschlossen hätten, mit der Ausführung der Sanierung bewusst einen dem Sbg BautechnikG widersprechenden gesetzwidrigen Zustand herzustellen
§§ 28 ff WEG 2002, § 3 MRG
GZ 5 Ob 61/19k, 31.07.2019
OGH: Zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten zur Erhaltung bestehender Anlagen gehören auch dann noch zur Erhaltung, wenn es sich um die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands handelt, es dabei zu einer vollständigen Erneuerung kommt und/oder dabei Veränderungen vorgenommen werden, die gegenüber dem vorigen Zustand als „Verbesserungen“ anzusehen sind. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung auch auf die Dringlichkeit und wirtschaftliche Aspekte wie die Finanzierbarkeit Bedacht zu nehmen. Ein wesentliches Kriterium für die Durchsetzbarkeit der von einem Wohnungseigentümer nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG 2002 begehrten Erhaltungsmaßnahmen ist daher deren Dringlichkeit. Wenn auch die Rsp das gesetzliche Gebot der Erhaltung „im jeweils ortsüblichen Standard“ als Verpflichtung versteht, ist bei Erhaltungsarbeiten nicht statisch stets Gleiches durch Gleiches zu ersetzen, sondern bei notwendigem Ersatz eine Anpassung auf Entwicklungen der Bautechnik und zeitgemäße Wohnkultur vorzunehmen. Dies bedeutet keine Verpflichtung zur permanenten Modernisierung, weil auch die Anpassung an den heutigen technischen Standard immer die Bejahung von Wirtschaftlichkeit und Dringlichkeit iSe Notwendigkeit der Arbeiten voraussetzt. Auch abseits des Individualrechts nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG 2002 sind der Abgrenzung zwischen ordentlicher und ao Verwaltung wirtschaftliche Gesichtspunkte zugrunde zu legen, dabei ist aber keine strenge Betrachtung geboten: Allein der Umstand, dass die derzeitige Rücklage nicht ausreicht, die beabsichtigte Erhaltungsarbeit zu finanzieren, ist für die Verneinung der Finanzierbarkeit nicht entscheidend, weil Mittel für die Arbeiten auch durch Aufnahme eines Darlehens oder Vorschusszahlungen finanziert werden können. Dem Umfang von Sanierungsarbeiten im WEG 2002 sind aber Grenzen durch die wirtschaftliche Zumutbarkeit gezogen, sodass ein echter Verbesserungsaufwand nicht der Miteigentümergemeinschaft aufgebürdet werden kann. Allerdings gehören wegen der Maßgeblichkeit des ortsüblichen Standards zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten zur Erhaltung des Hauses. Um überhaupt von einer Erhaltungsarbeit iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 sprechen zu können, bedarf es aber jedenfalls einer Reparaturbedürftigkeit, Schadensgeneigtheit oder Funktionseinschränkung
Hier könnte die an sich gebotene Sanierung eines schadhaft gewordenen Balkongeländers uU zur Maßnahme der ao Verwaltung werden, wenn sie mit ao Bedingungen oder Maßnahmen verknüpft wird. Dies könnte etwa dann der Fall sein, wenn die Mit- und Wohnungseigentümer tatsächlich konkret beschlossen hätten, mit der Ausführung der Sanierung bewusst einen dem Sbg BautechnikG widersprechenden gesetzwidrigen Zustand herzustellen, der die einzelnen Wohnungseigentümer sogar mit einer Haftung bei Unfällen belasten könnte. Hätte sich hingegen erst nach dem Beschluss auf Sanierung der Balkongeländer ohne weitere Details nachträglich in einem Beschlussanfechtungsverfahren herausgestellt, dass die bloß beabsichtigte, nicht aber mitbeschlossene Planung den Bauvorschriften möglicherweise widerspricht, würde dies die Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft nicht zu einer solchen über eine ao Maßnahme machen. Deren Außerordentlichkeit (etwa wegen Gesetzwidrigkeit) wäre diesfalls nicht Gegenstand der Willensbildung der Eigentümergemeinschaft geworden.