08.10.2019 Zivilrecht

OGH: § 870 ABGB – Anfechtung wegen Zwangs

Nach der Rsp kommt es für die Beurteilung, ob die Furcht gegründet ist, nicht auf die objektive Situation, sondern auf die subjektive Einstellung des Bedrohten an, weil ein vermeintlicher Zwang nicht schwächer wirkt als der wirkliche Zwang


Schlagworte: Irrtumsanfechtung, (nicht ernst gemeinter) Zwang, Verjährung
Gesetze:

 

§ 870 ABGB, § 1487 ABGB

 

GZ 3 Ob 130/19t, 29.08.2019

 

OGH: Wer von einem anderen durch List oder durch ungerechte und gegründete Furcht zu einem Vertrag veranlasst wurde, kann diesen gem § 870 ABGB anfechten. Das Anfechtungsrecht wegen Zwangs verjährt – anders als jenes wegen Arglist – gem § 1487 ABGB in drei Jahren ab Wegfall der Zwangslage.

 

Dem – dafür beweispflichtigen – Kläger ist angesichts der zu diesem Thema getroffenen Negativfeststellung nicht einmal der Nachweis gelungen, dass die Beklagte die von ihm behaupteten Drohungen geäußert hat; darüber hinaus steht fest, dass der Kläger sich ab Abschluss des – nun von ihm teilweise angefochtenen – Scheidungsfolgenvergleichs (und damit mehr als drei Jahre vor Einbringung der Klage) nicht mehr vor der Beklagten fürchtete.

 

Auf die in der außerordentlichen Revision als erheblich erachtete Rechtsfrage, ob in der vorbehaltlosen Erfüllung des nun angefochtenen Teils des Scheidungsfolgenvergleichs, wie vom Berufungsgericht überdies angenommen, ein schlüssiger Verzicht auf das Anfechtungsrecht liegt, kommt es daher gar nicht an.

 

Der Kläger hat sich in erster Instanz zwar auch auf Arglist der Beklagten gestützt, allerdings nur insoweit, als die von ihr nach den Klagebehauptungen geäußerten Drohungen allenfalls nicht ernst gemeint gewesen sein sollten.

 

Nach der Rsp kommt es für die Beurteilung, ob die Furcht gegründet ist, nicht auf die objektive Situation, sondern auf die subjektive Einstellung des Bedrohten an, weil ein vermeintlicher Zwang nicht schwächer wirkt als der wirkliche Zwang.

 

Dass die Vorinstanzen eine Anfechtbarkeit des Vertrags wegen Arglist verneinten und deshalb keine Feststellungen zur Ernsthaftigkeit der (nicht feststellbaren) Drohungen trafen, begründet daher keine erhebliche Rechtsfrage.