OGH: Zu Bild-Zitaten (§ 42f UrhG)
Bei der Frage nach zumutbaren Alternativen, also ob sich der Zitatzweck auch anders erreichen lässt, handelt es sich um ein ergänzendes Kriterium, das im Rahmen einer Gesamtbetrachtung mitabzuwägen ist
§ 42f UrhG, Art 10 EMRK
GZ 4 Ob 53/19a, 22.08.2019
OGH: Auch unter Berücksichtigung von Art 10 EMRK muss ein Bildzitat eine Zitat- und Belegfunktion haben und darf nicht nur der Illustration dienen, um beim Leser bzw Zuseher Aufmerksamkeit zu erheischen. Sofern sich der Nutzer auf das Zitatrecht beruft, ist auch zu prüfen, ob die Werknutzung einem dringenden sozialen Bedürfnis iSd Rsp des EGMR zur Notwendigkeit eines Eingriffs in die Meinungsäußerungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft dient. Die bloße Befriedigung von Neugierde oder Sensationslust zählt nicht dazu. Ferner ist auch immer zu fragen, ob sich der Zitatzweck nicht auch anders (etwa durch Einholung der Einwilligung des Rechteinhabers) oder durch Darstellung des Schutzgegenstands mit eigenen Worten erreichen lässt.
Nicht jeder Zitatzweck heiligt das eingesetzte Mittel. Dies ist auch mit Art 10 EMRK vereinbar, weil die vorrangige Funktion der Presse zur kritischen Berichterstattung in Fällen bloßer Sensationslustbefriedigung nur geringfügig beeinträchtigt wird. Selbst einem legitimen Zweck dienende Zitate dürfen den gebotenen Umfang nicht überschreiten, weil das Recht des Urhebers nicht stärker beeinträchtigt werden darf, als es die Ausübung der im Interesse der geistigen Kommunikation eingeräumten Zitierfreiheit erfordert. Insbesondere darf die Zitierfreiheit nicht dazu führen, dass der wirtschaftliche Wert des zitierten Werks in einer ins Gewicht fallenden Weise ausgehöhlt wird. Dabei kommt es auf eine Abwägung der Interessen an.
Nach der Rsp ist auch immer zu fragen, ob sich der Zitatzweck auch anders erreichen lässt: Zwar lässt sich beinahe jedes Lichtbild auch mit Worten beschreiben. Richtig verstanden handelt es sich jedoch bei der Frage nach zumutbaren Alternativen um ein ergänzendes Kriterium, das im Rahmen einer Gesamtbetrachtung mitabzuwägen ist.