OGH: Zum Lagezuschlag
Bei der Beurteilung der Qualität einer Wohnumgebung ist eine Gesamtschau und Gewichtung der einzelnen Lagecharakteristika nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls geboten; die Auflistung und Bewertung einzelner Lagefaktoren kann nur ein Kontrollinstrument sein
§ 16 MRG, § 3 RichtWG, § 4 RichtWG
GZ 5 Ob 158/18y, 13.06.2019
OGH: Die in § 16 Abs 4 MRG für die Berücksichtigung eines Lagezuschlags geforderte „Überdurchschnittlichkeit“ einer Lage (Wohnumgebung) kann nicht schon allein aus dem Grundkostenvergleich nach § 16 Abs 3 MRG abgeleitet werden kann. Es bedarf vielmehr einer Prüfung, ob im konkreten Einzelfall die Lage (Wohnumgebung) der Liegenschaft, auf der sich eine Wohnung befindet, nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und Erfahrung des täglichen Lebens besser als die durchschnittliche Lage ist. Diese Beurteilung „nach der allgemeinen Verkehrsauffassung“ und der „Erfahrung des täglichen Lebens“ wird von verschiedenen Faktoren, wie etwa die im vorliegenden Fall geprüften Standorteigenschaften, beeinflusst sein. Dabei hat der Vermieter den Nachweis zu erbringen, dass es konkrete Anhaltspunkte (Wohnumgebungsfaktoren) gibt, die die Annahme einer überdurchschnittlichen Lage erlauben. Zur Beurteilung, ob eine konkrete Lage aufgrund dieser Eigenschaften tatsächlich als „besser als durchschnittlich“ zu qualifizieren ist, bedarf es dann eines wertenden Vergleichs mit anderen Lagen (Wohnumgebungen).
Das Gebot der Beurteilung nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens macht es notwendig (und erlaubt es), sich bei dieser Beurteilung von einem gleichsam mathematischen Verständnis des Wortes „durchschnittlich“, als dem Mittelwert aus einer gegebenen Grundgesamtheit (annähernd) entsprechend, zu lösen. Das Gebiet, das der vergleichenden Beurteilung zugrunde zu legen ist, also der geographische Bereich, der die zur Beurteilung der (Über-)Durchschnittlichkeit miteinander zu vergleichenden Lagen (Wohnumgebungen) umfasst, bestimmt sich ebenfalls nach der allgemeinen Verkehrsauffassung. Entscheidend ist, welcher Bereich nach der Beurteilung des Wohnungsmarkts ein einigermaßen einheitliches Wohngebiet bildet. Dieses Abgrenzungskriterium muss nicht mit politischen Grenzziehungen übereinstimmen und lässt daher, wie es unbestimmten Gesetzesbegriffen immanent ist, einen gewissen Spielraum zu. Die Frage, ob Zuschläge zum Richtwertmietzins gerechtfertigt sind, hängt daher auch in dieser Hinsicht grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Von diesen Grundsätzen ausgehend ist in Wien als Referenzgebiet für die Beurteilung der Durchschnittlichkeit der Lage eines Hauses nicht regelhaft maximal der jeweilige Gemeindebezirk heranzuziehen, sondern es ist auf jene Teile des Wiener Stadtgebiets abzustellen, die einander nach der Verkehrsauffassung in ihren Bebauungsmerkmalen gleichen und (daher) ein einigermaßen einheitliches Wohngebiet bilden.
Bei der Beurteilung der Qualität einer Wohnumgebung ist eine Gesamtschau und Gewichtung der einzelnen Lagecharakteristika nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls geboten. Vorzunehmen ist eine Gesamtschau, weil die Lagequalität nur insgesamt erfasst werden kann. Die Auflistung und Bewertung einzelner Lagefaktoren kann nur ein Kontrollinstrument sein.