16.09.2019 Zivilrecht

OGH: Zum Vorkaufsrecht gem § 1072 ABGB

Die Klägerin trat von sich aus an die Lebensgefährtin des Beklagten heran, nachdem diese und der Beklagte von einem Kauf der Eigentumswohnung wegen der von der Klägerin für die Nichtausübung ihres Vorkaufsrechts gestellten Bedingungen bereits Abstand genommen hatten, und erklärte, einem Kauf nicht mehr im Wege zu stehen, weil sie nicht wolle, dass jemand anderer in die Wohnung einziehe; bedingung war nur, dass der Klägerin im Kaufvertrag zwischen dem Beklagten und dessen Lebensgefährtin wiederum ein Vorkaufsrecht eingeräumt wird; in der Folge kritisierte die Klägerin einen Vertragsentwurf, weil er einen Verzicht auf ihr Vorkaufsrecht anstelle der Einräumung eines solchen Rechts zu ihren Gunsten vorsah, woraufhin ein zweiter Entwurf erstellt wurde, der ein Vorkaufsrecht der Klägerin beinhaltete; schließlich meinte die Klägerin bei einem Treffen mit dem Beklagten und dessen Lebensgefährtin zu den beiden, sie müssten diesen Vertrag unterschreiben, damit sich am (einzuräumenden) Vorkaufsrecht nichts mehr ändern könne, ohne zu erwähnen, dass sie daran denke, das bestehende Vorkaufsrecht auszuüben; daraufhin unterschrieben der Beklagte und seine Lebensgefährtin den Kaufvertrag, was sie aber keinesfalls getan hätten, hätten sie gewusst, dass die Klägerin ihr Vorkaufsrecht ausüben wird; vor diesem Hintergrund bewegt sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne sich hier nicht auf den Eintritt des Vorkaufsfalls berufen, im Rahmen der Rsp


Schlagworte: Vorkaufsrecht, unredliches Verhalten, Einlösungserklärung, Bedingung
Gesetze:

 

§ 1072 ABGB

 

GZ 8 Ob 62/19d, 27.06.2019

 

OGH: Das Vorkaufsrecht gem § 1072 ABGB ist ein Gestaltungsrecht, welches zum bevorzugten Erwerb einer Sache berechtigt. Es steht unter der Bedingung, dass der Vorkaufsverpflichtete die Sache verkaufen will. Durch die Erklärung, den Vorkauf auszuüben, wird der Kaufvertrag zwischen dem Verpflichteten und dem Vorkaufsberechtigten abgeschlossen.

 

Entgegen den Ausführungen der Revisionswerberin hat das Berufungsgericht die Klageabweisung nicht damit begründet, dass kein bindendes Offert der Drittkäuferin – hier der Lebensgefährtin des Beklagten – vorliege. Vielmehr hat das Berufungsgericht die Auffassung vertreten, dass die Klägerin wider Treu und Glauben von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht habe, nachdem sie bei den vertragsschließenden Teilen – dem Beklagten und dessen Lebensgefährtin – den Eindruck erweckt habe, auf ihr Vorkaufsrecht zu verzichten.

 

Nach der Rsp darf sich niemand durch eigenes unredliches Verhalten Rechtsvorteile verschaffen. So kann sich niemand auf den Eintritt einer Bedingung berufen, die er selbst wider Treu und Glauben herbeigeführt hat. Ob eine treuwidrige Beeinflussung des Laufs der Dinge vorliegt, ist eine nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilende Rechtsfrage.

 

Nach den Feststellungen trat die Klägerin von sich aus an die Lebensgefährtin des Beklagten heran, nachdem diese und der Beklagte von einem Kauf der Eigentumswohnung wegen der von der Klägerin für die Nichtausübung ihres Vorkaufsrechts gestellten Bedingungen bereits Abstand genommen hatten, und erklärte, einem Kauf nicht mehr im Wege zu stehen, weil sie nicht wolle, dass jemand anderer in die Wohnung einziehe. Bedingung war nur, dass der Klägerin im Kaufvertrag zwischen dem Beklagten und dessen Lebensgefährtin wiederum ein Vorkaufsrecht eingeräumt wird. In der Folge kritisierte die Klägerin einen Vertragsentwurf, weil er einen Verzicht auf ihr Vorkaufsrecht anstelle der Einräumung eines solchen Rechts zu ihren Gunsten vorsah, woraufhin ein zweiter Entwurf erstellt wurde, der ein Vorkaufsrecht der Klägerin beinhaltete. Schließlich meinte die Klägerin bei einem Treffen mit dem Beklagten und dessen Lebensgefährtin zu den beiden, sie müssten diesen Vertrag unterschreiben, damit sich am (einzuräumenden) Vorkaufsrecht nichts mehr ändern könne, ohne zu erwähnen, dass sie daran denke, das bestehende Vorkaufsrecht auszuüben. Daraufhin unterschrieben der Beklagte und seine Lebensgefährtin den Kaufvertrag, was sie aber keinesfalls getan hätten, hätten sie gewusst, dass die Klägerin ihr Vorkaufsrecht ausüben wird.

 

Vor diesem Hintergrund bewegt sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne sich hier nicht auf den Eintritt des Vorkaufsfalls berufen, im Rahmen der Rsp. Ob die Klägerin bei diesem Sachverhalt bereits (schlüssig) auf die Ausübung ihres Vorkaufsrechts verzichtet hat oder aber einen solchen Verzicht nur in Aussicht gestellt hat, kann mangels Schutzwürdigkeit der Klägerin auch im zweiteren Fall dahingestellt bleiben.

 

Auf die Rechtzeitigkeit der Einlösungserklärung kommt es damit ebenfalls nicht mehr an.