VwGH: Solidarhaftung juristischer Personen nach § 9 Abs 7 VStG iZm Tod des Bestraften
Dem nach § 9 Abs 7 VStG Haftungspflichtigen steht jede Einrede gegen die Zahlungspflicht zu, die auch den Bestraften von der Zahlungspflicht befreien würde; dies gilt gleichwohl für den Wegfall der Vollstreckbarkeit des Strafausspruchs gem § 14 Abs 2 VStG
§ 9 VStG, § 14 VStG, § 1357 ABGB, § 1358 ABGB, § 54b VStG, § 64 VStG, § 52 VwGVG
GZ Ra 2018/04/0074, 22.05.2019
VwGH: Gem § 9 Abs 7 VStG haften ua juristische Personen für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.
Bereits das VStG in seiner Stammfassung, BGBl Nr 275/1925, enthielt sowohl eine der Haftung gem § 9 Abs 7 VStG entsprechende Bestimmung, und zwar im letzten Satz ihres § 9, als auch wortident die Bestimmung des § 14 Abs 2 betreffend das Erlöschen der Vollstreckbarkeit der Geldstrafe mit dem Tod des Bestraften. Am Wesen dieser Haftung wurde durch die seither ergangenen Gesetzesnovellen nichts geändert. Sie findet sich nunmehr allerdings in § 9 Abs 7 VStG.
Da die Haftungsbestimmung des § 9 Abs 7 VStG es der Behörde freistellt, bei wem sie die Geldstrafe sowie die Verfahrenskosten eintreibt ("Haftung zur ungeteilten Hand"), handelt es sich um eine Solidarhaftung, die nach nunmehr stRsp in Bezug auf die juristische Person eines Haftungsausspruchs im Straferkenntnis bedarf. Diese Haftung ist nicht als Strafe, sondern als "kriminelle Bürgschaft", anzusehen, die einen rechtskräftigen und somit vollstreckbaren Strafausspruch gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen oder einen verantwortlichen Beauftragten voraussetzt. Dementsprechend fällt mit der Aufhebung des Strafausspruchs notwendig auch der Haftungsausspruch weg. Die Haftung nach § 9 Abs 7 VStG begründet somit keine vom Strafausspruch losgelöste und von der Zahlungspflicht des Bestraften unabhängige, eigenständige materiell-rechtliche, sondern eine bloß formell eigene, materiell aber fremde Verpflichtung des Haftungspflichtigen. Es handelt sich insofern um eine Haftung iSd § 1357 ABGB ("Bürge-und-Zahler-Haftung"), die gegenüber der Zahlungspflicht des Bestraften akzessorisch ist. Dem nach § 9 Abs 7 VStG Haftungspflichtigen steht somit jede Einrede gegen die Zahlungspflicht zu, die auch den Bestraften von der Zahlungspflicht befreien würde.
Dies gilt gleichwohl für den Wegfall der Vollstreckbarkeit des Strafausspruchs gem § 14 Abs 2 VStG. Andernfalls würde die Zahlungspflicht im Fall des Todes des Bestraften allein beim Haftungspflichtigen verbleiben, weil ein Rückgriff des in Anspruch genommenen Haftungspflichtigen gem § 1358 ABGB wegen Zahlung einer fremden Schuld im Innenverhältnis gegenüber dem Rechtsnachfolger des verstorbenen Bestraften im Hinblick auf die dem Rechtsnachfolger gem § 14 Abs 2 VStG zukommende Einrede der mangelnden Vollstreckbarkeit nicht möglich ist. Eine solche Beschränkung des Erlöschens der Vollstreckbarkeit auf die Rechtsnachfolger des Bestraften ist weder dem Wortlaut des § 14 Abs 2 VStG zu entnehmen, noch ergibt sich ein solches Auslegungsergebnis aus der Systematik des Gesetzes und den Gesetzesmaterialien zur Stammfassung des VStG, BGBl Nr 275/1925.
Bezogen auf den vorliegenden Fall erlosch demnach mit dem Tod des Erstrevisionswerbers die Vollstreckbarkeit der verhängten Geldstrafe sowie der dem Erstrevisionswerber auferlegten Kosten des Strafverfahrens gem § 14 Abs 2 VStG nicht nur diesem gegenüber, sondern auch gegenüber der zweitrevisionswerbenden Partei; diese Forderungen können auch bei ihr nicht mehr eingebracht werden.