01.09.2019 Wirtschaftsrecht

VwGH: Zur Frage, ob ein bei einem Mitglied einer Bietergemeinschaft vorliegender Ausschlussgrund auf die gesamte Bietergemeinschaft durchschlägt

Das Vorliegen eines Ausschlussgrundes bei einem Mitglied der Bietergemeinschaft führt dazu, dass die Bietergemeinschaft als solche als nicht zuverlässig anzusehen ist


Schlagworte: Vergaberecht, Bietergemeinschaft, Ausschluss
Gesetze:

 

§ 68 BVergG 2006, § 72 BVergG 2006

 

GZ Ra 2018/04/0161, 26.06.2019

 

VwGH: Nach der Rsp des VwGH muss bei einer Bietergemeinschaft die Zuverlässigkeit aller Mitglieder gegeben sein. Das Vorliegen eines Ausschlussgrundes bei einem Mitglied der Bietergemeinschaft führt daher dazu, dass die Bietergemeinschaft als solche als nicht zuverlässig anzusehen ist. Die Erläuterungen zu § 20 BVergG 2006 halten diesbezüglich ausdrücklich fest, dass der Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit gem § 72 im Falle der Zulässigkeit einer Arbeits- oder Bietergemeinschaft für alle dergestalt am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmer zu erbringen ist. Auch die hier gegenständlichen Ausschreibungsbestimmungen, denen zufolge sämtliche Mitglieder einer Bietergemeinschaft nachzuweisen haben, dass kein Ausschlussgrund vorliegt, geben diesbezüglich keinen Anlass zu Unklarheiten (entgegen der Auffassung der Revisionswerberin lässt sich somit auch aus dem von ihr ins Treffen geführten EuGH-Urteil C-27/15 nichts für sie gewinnen).

 

An der dargestellten Auffassung vermag das von der Revisionswerberin ins Treffen geführte EuGH-Urteil vom 24. Mai 2016, C-396/14, aus folgenden Gründen nichts zu ändern:

 

Zunächst ist anzumerken, dass der EuGH in der Begründung dieses Urteils darauf abgestellt hat, dass die Anforderung einer rechtlichen und tatsächlichen Identität des Wirtschaftsteilnehmers während des gesamten Verlaufs des Verfahrens "gesenkt" werden könne, "um in einem Verhandlungsverfahren einen angemessenen Wettbewerb, wie ihn Art 54 Abs 3 der Richtlinie 2004/17 verlangt, zu gewährleisten". Der begründend herangezogene Art 54 Abs 3 der Richtlinie 2004/17/EG galt ausdrücklich nur für nichtoffene Verfahren und Verhandlungsverfahren und somit nicht für das hier maßgebliche offene Verfahren. Rückschlüsse darauf, wie diese Konstellation in einem offenen Verfahren - noch dazu nach Abgabe des Letztangebotes - zu beurteilen wäre, lassen sich daraus nicht ableiten. Gegen eine Übertragung der darin getroffenen Aussagen auf das offene Verfahren spricht nicht zuletzt das im offenen Verfahren zu beachtende Verhandlungsverbot. Vor allem aber ist dem diesbezüglichen Revisionsvorbringen entgegenzuhalten, dass sich die im EuGH-Urteil C-396/14 zu beurteilende Konstellation vom hier zugrunde liegenden Sachverhalt wesentlich unterscheidet. Im Urteil C-396/14 hat der EuGH die Zulässigkeit der Teilnahme eines Unternehmers am weiteren Vergabeverfahren geprüft, wenn dieser Unternehmer zuvor nur als Mitglied einer Bietergemeinschaft beteiligt war, über das Vermögen des anderen Mitgliedes dieser Bietergemeinschaft die Insolvenz eröffnet und die Bietergemeinschaft aufgelöst wurde. Es ging somit um die Frage der Zulässigkeit der Änderung der Zusammensetzung einer Bietergemeinschaft während eines laufenden Verhandlungsverfahrens. Eine solche Änderung hat der EuGH unter gewissen Voraussetzungen als zulässig angesehen.

 

Im vorliegenden Fall wurde der Zuschlag aber unstrittig der am Verfahren teilnehmenden Bietergemeinschaft P in unveränderter Zusammensetzung (und somit unter aufrechter Teilnahme des als unzuverlässig anzusehenden Mitgliedes) erteilt. Dem von der Revisionswerberin angestellten Größenschluss vermag sich der VwGH nicht anzuschließen, weil es hinsichtlich der hier einzig zu beurteilenden Zuverlässigkeit einen relevanten Unterschied macht, ob ein als unzuverlässig anzusehender Unternehmer (noch) an einer Bietergemeinschaft beteiligt ist oder nicht.

 

Im Ergebnis sieht sich der VwGH auf Grund des Revisionsvorbringens somit nicht veranlasst, von seiner Rsp betreffend den Ausschluss einer Bietergemeinschaft als Folge der Unzuverlässigkeit eines ihrer Mitglieder abzugehen.