15.11.2007 Wirtschaftsrecht

OGH: Architektenpläne und Vorentwürfe iZm dem Urheberrecht

Allgemeine Ausführungen


Schlagworte: Urheberrecht, Baurecht, Architektenpläne, Vorentwürfe, Plagiat, Sammelwerke
Gesetze:

§ 1 UrhG, § 3 Abs 1 UrhG, § 6 UrhG

GZ 4 Ob 62/07g, 04.09.2007

Die Rechtsmittelwerberin vertritt die Auffassung, ihre Planungsleistungen seien urheberrechtlich geschützt. Sie habe ein gestalterisch signifikantes Projekt mit Pierentwicklung in Rollgasse 70 im Zusammenhang mit einer funktionsgerechten Verkehrslösung, einer effizienten unterirdischen Gepäcksführung und einer attraktiven Gestaltung des Terminalbereichs als Konzept für eine Problembewältigung entwickelt und eine Planungslösung geliefert, die weder von anderen Wettbewerbsteilnehmern noch von der Beklagten erkannt worden sei; sie habe dabei den durch den Zweck bedingten Gestaltungsspielraum individuell ausgenützt und künstlerisch umgesetzt. Sie habe ihre künstlerischen Vorstellungen mittels ausgearbeiteter Pläne detailliert dargestellt. Selbst wenn diese Gestaltungselemente für sich allein nicht schöpferisch wären, sei die Auswahl und Anordnung der einzelnen Elemente durch das eigentümliche Schaffen der Klägerin geprägt, ihre schöpferische Leistung genieße deshalb Schutz als Sammelwerk.

OGH: Nach herrschender Auffassung können nicht nur Bauwerke, sondern auch deren Modelle, Pläne, Zeichnungen und Entwürfe als Werke der bildenden Künste (§ 3 Abs 1 UrhG) geschützt sein, wenn es sich dabei um eigentümliche geistige Schöpfungen iSd § 1 Abs 1 UrhG handelt. Voraussetzung ist, dass die individuellen Züge, die das Bauwerk als persönliche geistige Schöpfung qualifizieren, bereits im Entwurf ihren Niederschlag gefunden haben.

Die Baukunst bewegt sich an der Grenze von Technik und Kunst. Bei Werken der Baukunst ist daher ebenso wie bei allen anderen Werken, die eine technische Vorgabe bzw einen Zweck erfüllen, der Gestaltungsspielraum eingeengt, sodass das kreative Ausnutzen dieser Variationsbreite über das Vorliegen eines Werks der bildenden Kunst entscheidet. Von Baukunst kann erst dann die Rede sein, wenn die gestellte Aufgabe auf technisch verschiedene Weise zu lösen und die gewählte Ausführung nicht bloß als zweckmäßige, sondern zugleich als künstlerische Gestaltung zu werten ist. Urheberrechtlicher Schutz kann daher nie der zweckbezogenen technischen Konstruktion an sich zukommen, sondern nur dem mit ihrer Hilfe geschaffenen Bauwerk als der Verwirklichung einer künstlerischen Raumvorstellung. Es muss sich daher um eine individuelle, eigentümliche geistige Leistung handeln, die sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abhebt. Nach herrschender Auffassung sind technische Lösungen für sich allein nicht schutzfähig, mag es für die technische Idee auch verschiedene Lösungsmöglichkeiten geben. Bei Beurteilung des urheberrechtlichen Schutzes eines Bauwerks sind die für seine Gestaltung entscheidenden Parameter Funktion (Gebrauchszweck), Umfeld, technische Lösungsmöglichkeiten und individuelle (künstlerische) Gestaltung des Planenden abzuwägen: Je mehr ein Bauwerk durch Funktion, technische Konstruktion und Umfeld vorgegeben ist, desto deutlicher muss es sich von durchschnittlichen Lösungen gestalterisch abheben, um urheberrechtlich geschützt zu sein. Es bedarf eines "eigenschöpferischen Gepräges", eines ästhetischen Gehalts und eines künstlerisch-geistigen Formgedankens.

Nach § 1 Abs 2 UrhG können auch einzelne Teile eines Werks Urheberrechtsschutz genießen und daher auch Teile von Bauwerken urheberrechtlich geschützt sein. Voraussetzung ist, dass die Teile als solche den urheberrechtlichen Schutzvoraussetzungen genügen.

Die Klägerin macht geltend, ihr Lösungsvorschlag sei nicht Stand der Technik, sondern visionäre Konzeption und genieße als eigenschöpferische Leistung urheberrechtlichen Schutz: Dem ist entgegenzuhalten, dass urheberrechtlicher Schutz nicht der zweckbezogenen technischen Lösung an sich, sondern nur der künstlerischen Formgestaltung zukommt. Werke der Ingenieurkunst sind als solche nicht urheberrechtlich geschützt.

Die Klägerin wirft der Beklagten vor, eine das Erscheinungsbild ihres Projekts charakterisierende Strukturlinie übernommen zu haben: Nach stRsp entscheidet im Plagiatstreit allein die Übereinstimmung zwischen Original und Verletzungsgegenstand im schöpferischen, somit in jenem Teil des Originals, das diesem das Gepräge der Einmaligkeit gibt. Um beurteilen zu können, ob eine Übereinstimmung - sei es ein glattes Plagiat, sei es eine Bearbeitung iSd § 5 Abs 1 UrhG oder eine selbständige Neuschöpfung nach § 5 Abs 2 UrhG - vorliegt, sind beide Werke in ihrer Gesamtheit zu vergleichen.

Zum Schutz als Sammelwerk: § 6 UrhG schützt Sammlungen, die infolge der Zusammenstellung einzelner Beiträge zu einem einheitlichen Ganzen eine eigentümliche geistige Schöpfung sind. Die jedem urheberrechtlich schutzfähigen Werk notwendige Eigentümlichkeit drückt sich beim Sammelwerk in der Auswahl und/oder der Anordnung der aufgenommenen Beiträge aus. Die Beiträge müssen nach einem bestimmten eigentümlichen Leitgedanken gesammelt gesichtet, geordnet oder auf einander abgestimmt werden. Der geistig ästhetische Gehalt eines Sammelwerks findet sich daher nicht in den aufgenommenen Beiträgen selbst, er muss in dem für ihre Auslese und/oder Anordnung maßgeblichen Leitgedanken zum Ausdruck kommen. Als Sammelwerke werden insbesondere Lexika, Enzyklopädien, Anthologien, Koch- und Adressbücher, Literatur- und Rechtsprechungskarteien, Ausstellungskataloge, Zeitungen, Zeitschriften udgl angesehen, somit Werke, die dem literarischen und wissenschaftlichen Schaffen zugerechnet werden. Sie drücken jeweils den individuellen, den eigentümlichen Kombinationsgedanken des Herausgebers aus.