06.08.2019 Zivilrecht

OGH: Wirtschaftliches Fortkommen iSd § 1330 Abs 2 ABGB

Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, es sei auszuschließen, dass der Kredit oder das wirtschaftliche Fortkommen des Klägers, der nach seinem eigenen Vorbringen Generalbevollmächtigter des größten Baukonzerns in Mittel- und Osteuropa ist, durch den Blogeintrag des Beklagten beeinträchtigt werden könnte, steht mit der Rsp nicht in Einklang; letztlich liefe die Rechtsansicht des Berufungsgerichts darauf hinaus, dass sehr reiche Personen nicht den Schutz des § 1330 Abs 2 ABGB genießen, weil deren „Fortkommen“ nicht mehr beeinträchtigt werden könne; diese Auffassung entspricht jedoch nicht dem Gesetz; dem Blogbeitrag kann die abstrakte Eignung, das Fortkommen des Klägers zu gefährden, nicht abgesprochen werden, wird in diesem dem Kläger doch ein Vorgehen gegen die freie Meinungsäußerung und damit ein liberale Grundwerte beeinträchtigendes Verhalten unterstellt; eine derartige Maßnahme könnte die Glaubwürdigkeit des Klägers beeinträchtigen und mittelbar sein Fortkommen gefährden; gerade bei öffentlich exponierten Personen wie dem Kläger kann auch dem Ansehen in der Öffentlichkeit (gewissermaßen sein „good will“) ein Einfluss auf die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung dieser Person nicht abgesprochen werden


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Kreditschädigung, wirtschaftliches Fortkommen, sehr reiche Personen
Gesetze:

 

§ 1330 ABGB

 

GZ 6 Ob 88/19p, 27.06.2019

 

OGH: Ein Anspruch auf Widerruf und dessen Veröffentlichung besteht nur bei Verstößen gegen § 1330 Abs 2 ABGB, nicht aber gegen dessen Abs 1.

 

§ 1330 Abs 2 ABGB ist erfüllt, wenn jemand Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit er kannte oder kennen musste. Nicht erforderlich ist, dass der Betroffene durch die Äußerungen einen konkreten Schaden erlitten hat. Ausreichend ist daher der Nachweis der Eignung der Äußerung, solche Nachteile herbeizuführen. Während eine Kreditgefährdung dann vorliegt, wenn die Zahlungsfähigkeit in Frage gestellt wird, betrifft der „Erwerb“ die gegenwärtige wirtschaftliche Lage des Betroffenen, das „Fortkommen“ hingegen seine zukünftige wirtschaftliche Entwicklung. Darunter ist die Möglichkeit zu verstehen, eine bestimmte Position zu erreichen bzw eine Aufstiegschance wahrzunehmen oder zu verbessern. Der Begriff des „Fortkommens“ darf nicht zu eng verstanden werden. Der Betroffene muss aber zumindest eine abstrakte Gefährdung seines Fortkommens dartun.

 

Unter § 1330 Abs 2 ABGB fällt jede Gefährdung wirtschaftlich bedeutsamer Beziehungen oder Verhältnisse. Tatsachenbehauptungen, die überhaupt keinen Bezug zur wirtschaftlichen Wertschätzung des Betroffenen aufweisen, wird zwar die Schädigungseignung iSd § 1330 ABGB abzusprechen sein; zur Schädigung geeignet sind aber auch solche Behauptungen, die sich nicht unmittelbar mit der Wirtschaftslage des Betroffenen befassen. Eine Gefährdung, die mittelbar wirtschaftliche Nachteile zur Folge haben kann, reicht für den Tatbestand des § 1330 Abs 2 ABGB hin.

 

In diesem Sinne wurde etwa auch das wirtschaftliche Fortkommen eines Weltpriesters, einer evangelischen Pfarrerin, einer politischen Partei oder eines Politikers unter § 1330 Abs 2 ABGB subsumiert.

 

Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, es sei auszuschließen, dass der Kredit oder das wirtschaftliche Fortkommen des Klägers, der nach seinem eigenen Vorbringen Generalbevollmächtigter des größten Baukonzerns in Mittel- und Osteuropa ist, durch den Blogeintrag des Beklagten beeinträchtigt werden könnte, steht mit der zitierten Rsp nicht in Einklang. Letztlich liefe die Rechtsansicht des Berufungsgerichts darauf hinaus, dass sehr reiche Personen nicht den Schutz des § 1330 Abs 2 ABGB genießen, weil deren „Fortkommen“ nicht mehr beeinträchtigt werden könne. Diese Auffassung entspricht jedoch nicht dem Gesetz.

 

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist der Kläger Generalbevollmächtigter des größten Baukonzerns in Mittel- und Osteuropa, Mitglied des Stiftungsvorstands der T*****, Mitglied des Stiftungsvorstands des O*****, sog Retter einer der größten Sammlungen zeitgenössischer Kunst Europas und Förderer einer Vielzahl gemeinnütziger Einrichtungen. Zutreffend verweist der Kläger auch darauf, dass er als Förderer liberaler politischer Parteien in Österreich bekannt sei. Vor diesem Hintergrund kann dem Blogbeitrag die abstrakte Eignung, das Fortkommen des Klägers zu gefährden, nicht abgesprochen werden, wird in diesem dem Kläger doch ein Vorgehen gegen die freie Meinungsäußerung und damit ein liberale Grundwerte beeinträchtigendes Verhalten unterstellt. Eine derartige Maßnahme könnte die Glaubwürdigkeit des Klägers beeinträchtigen und mittelbar sein Fortkommen gefährden. Gerade bei öffentlich exponierten Personen wie dem Kläger kann auch dem Ansehen in der Öffentlichkeit (gewissermaßen sein „good will“) ein Einfluss auf die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung dieser Person nicht abgesprochen werden.