08.07.2019 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zu Zeitguthaben des AN in der Insolvenz

Wird das bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses für das nicht verbrauchte Zeitguthaben zu bezahlende Entgelt für Leistungen geschuldet, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (zusätzlich zur normalen Arbeitsleistung) erbracht wurden, stellen die Ansprüche des AN Insolvenz- und, nicht Masseforderungen dar


Schlagworte: Arbeitszeitrecht, Insolvenzrecht, Überstundenentgelt, Zeitausgleich, Zeitguthaben, Insolvenzforderung, Masseforderung
Gesetze:

 

§ 25 IO, § 46 IO, § 52 IO, § 10 AZG

 

GZ 8 ObA 60/18h, 25.03.2019

 

OGH: Gem § 46 Abs 1 Z 3 IO sind Masseforderungen ua die Forderungen der AN auf laufendes Entgelt für die Zeit nach Konkurseröffnung. Gem § 46 Abs 1 Z 3a IO gehören zu den Masseforderungen auch bestimmte Beendigungsansprüche. Korrespondierend bezeichnet § 51 Abs 2 Z 2 IO als Insolvenzforderungen auch Ansprüche aus der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nach § 25 IO oder wenn das Beschäftigungsverhältnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nach § 25 IO vom AN gelöst wird und dies nicht auf eine Rechtshandlung oder ein sonstiges Verhalten des Insolvenzverwalters zurückzuführen ist.

 

Der Begriff „laufendes Entgelt“ ist im weiten Sinn zu verstehen: Allgemein werden dazu die zeitbezogenen Ansprüche des AN gezählt, die ihm für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft als Erfüllung des zweiseitigen Arbeitsvertrags zustehen. Zum Entgelt des AN gehört daher nicht nur das eigentliche Gehalt, sondern auch alle übrigen Leistungen zusätzlicher Art. Das laufende Entgelt ist für die Periode ab Insolvenzeröffnung nach dem Anwartschaftsprinzip im Verhältnis des Anspruchszeitraums vor und nach Insolvenzeröffnung aliquot zu errechnen. Nicht maßgeblich ist das Stichtagsprinzip, dh ob Ansprüche zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits erworben wurden oder fällig sind. So sind sowohl die laufenden Bezüge in dem Zeitraum vor und nach Insolvenzeröffnung zu teilen, als auch etwa die Sonderzahlungen teilweise Insolvenzforderung und teilweise Masseforderung sein können.

 

Die Parteien eines Arbeitsvertrags können anstelle einer Überstundenvergütung in Geld Zeitausgleich vereinbaren. Bei einem Zeitguthaben besteht (zunächst) die Möglichkeit, dass es während des auch nach Insolvenzeröffnung aufrechten Vertragsverhältnisses in natura verbraucht wird. Mit der Konsumation von Zeitausgleich kommt es dann zu einer bezahlten Freistellung von der Arbeitspflicht. In einem solchen Fall wird das laufende Entgelt für eine Leistung nach Insolvenzeröffnung geschuldet, die geringere Arbeitspflicht ändert daran nichts. Es handelt sich daher um eine Masseforderung.

 

Dagegen stellt die Erbringung der normalen Arbeitsleistung, wenn kein Zeitausgleich konsumiert wird, keine Mehrleistung nach Insolvenzeröffnung dar. Das bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses für das nicht verbrauchte Zeitguthaben zu bezahlende Entgelt wird daher für Leistungen geschuldet, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (zusätzlich zur normalen Arbeitsleistung) erbracht wurden. Die grundsätzliche Möglichkeit, diese Überstunden auch durch Zeitausgleich abgegolten zu bekommen, ändert daran nichts und bietet keine Grundlage für eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Überstunden im Hinblick auf ihre Qualifikation als Masse- bzw Insolvenzforderung. Dies entspricht auch dem Prinzip, laufende Bezüge in den Zeitraum vor und nach Insolvenzeröffnung danach zu zerlegen, wann die entsprechende Gegenleistung des AN erbracht wurde.