02.07.2019 Zivilrecht

OGH: Zur Haftung des Versicherungsmaklers

Der Umfang der Schadenersatzpflicht des Versicherungsmaklers ist nicht zwangsläufig mit dem Deckungsumfang für den einzelnen Schadensfall laut Versicherungsvertrag begrenzt; entscheidend sind insoweit die vom Schutzzweck des zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherungsmakler bestehenden Vertragsverhältnisses umfassten Interessen; da der Versicherungsmakler zur Klärung des Umfangs des Versicherungsschutzes beitragen und auf die Notwendigkeit selbständiger Rechtsverfolgung durch den Versicherungsnehmer hätte hinweisen müssen, ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Vermeidung der aus solchen Pflichtverletzungen insgesamt resultierenden Schäden vom Schutzzweck des zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherungsmakler bestehenden Vertragsverhältnisses umfasst sei, nicht zu beanstanden


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Versicherungsmakler, Haftung, Pflichtverletzung
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB, § 28 MaklerG

 

GZ 7 Ob 63/19v, 29.05.2019

 

OGH: Für die Beklagte als Versicherungsmaklerin gilt, dass diese Fachmann auf dem Gebiet des Versicherungswesens ist und ihre Hauptaufgabe zunächst darin besteht, dem Klienten mit Hilfe ihrer Kenntnisse und Erfahrung bestmöglichen, den jeweiligen Bedürfnissen und Notwendigkeiten entsprechenden Versicherungsschutz zu verschaffen. Der Versicherungsmakler haftet als Sachverständiger iSd § 1299 ABGB, muss einschlägige Probleme erkennen und dazu richtige Auskünfte erteilen. Aus dem Treueverhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem Makler ergeben sich für letzteren Schutz-, Sorgfalts- und Beratungspflichten. Versicherungsmakler sind verpflichtet, den Versicherungskunden bei der Abwicklung des Versicherungsverhältnisses vor und nach Eintritt des Versicherungsfalls zu unterstützen. Die Unterstützung kann sich auf Anzeige- und Auskunftspflichten, aber auch auf Obliegenheiten und auf die Klärung des Umfangs des Versicherungsschutzes beziehen. Die Beurteilung einer Pflichtverletzung ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der vom Makler erkennbaren Interessen des Auftraggebers vorzunehmen. Auch wenn die bisher in der Rsp in diesem Zusammenhang behandelten Fälle nicht unmittelbar mit dem Anlassfall vergleichbar sein mögen, ist die Lösung der Frage, inwieweit ein Makler im konkreten Fall Pflichtverletzungen zu vertreten hat, von den Umständen des Einzelfalls abhängig.

 

Der Beklagten sind hier – entgegen den Revisionsausführungen – nicht primär Versäumnisse iZm Fristen vorzuwerfen, sondern es ist ihr das Unterlassen eindeutiger und nachdrücklicher Klarstellungen dahin anzulasten, dass die Deckungspflicht des Versicherers weiterhin strittig sei und die Klägerin daher selbständig Schritte zur Schadensabwehr setzen müsse, um sich den Versicherungsschutz zu erhalten und – damit im Zusammenhang stehend – die gesamte Haftung gegenüber ihrer Klientin abwenden zu können. Die Beklagte hätte aufgrund des dokumentierten Verhaltens der Klägerin, insbesondere der schon sehr spät erfolgten Information über die Klagebeantwortungsfrist, nicht annehmen dürfen, dass die Klägerin selbst ohnehin alle gerichtlichen Schritte zur Schadensabwehr setzt. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen von der Beklagten zu vertretende Verletzungen von Hinweispflichten bejahte, hält sich diese Rechtsansicht im Rahmen der zuvor dargestellten Judikaturgrundsätze.

 

Der Umfang der Schadenersatzpflicht des Versicherungsmaklers ist – entgegen der nicht näher begründeten und auch nicht durch Judikatur belegten Ansicht der Beklagten – nicht zwangsläufig mit dem Deckungsumfang für den einzelnen Schadensfall laut Versicherungsvertrag begrenzt. Entscheidend sind insoweit die vom Schutzzweck des zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherungsmakler bestehenden Vertragsverhältnisses umfassten Interessen. Da der Versicherungsmakler zur Klärung des Umfangs des Versicherungsschutzes beitragen und auf die Notwendigkeit selbständiger Rechtsverfolgung durch den Versicherungsnehmer hätte hinweisen müssen, ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Vermeidung der aus solchen Pflichtverletzungen insgesamt resultierenden Schäden vom Schutzzweck des zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherungsmakler bestehenden Vertragsverhältnisses umfasst sei, nicht zu beanstanden.