VwGH: Kontrollsystem im Kanzleibetrieb – Wiedereinsetzungsantrag iZm versäumter Frist um (nur) einige Stunden
Der Wiedereinsetzungsantrag enthält kein Vorbringen, ob und welche Maßnahmen in der Rechtsanwaltskanzlei gesetzt wurden, um eine Reihung der dem Sekretariat zur Abfertigung von Schriftstücken übergebenen Akten nach Dringlichkeit sicherzustellen und somit eine fristgerechte Einbringung von Eingaben zu gewährleisten, va wenn diese per E-Mail an Verwaltungsgerichte übermittelt werden; dass dem beruflichen und rechtskundigen Vertreter des Revisionswerbers kein Verschulden oder ein lediglich minderer Grad des Versehens - wie im vorliegenden Fall wesentlich - bei der Organisation des Kanzleibetriebs anzulasten ist, wurde somit mit dem Wiedereinsetzungsantrag nicht dargetan
§ 71 AVG, § 46 VwGG
GZ Ra 2018/01/0046, 18.02.2019
Die Revision begründet ihre Zulässigkeit dahin, dass es entgegen der Rechtsansicht des VwG nach der Rsp des VwGH bei einem behaupteten Versehen einer Hilfsperson eines Rechtsvertreters als Wiedereinsetzungsgrund keines substantiierten Vorbringens im Wiedereinsetzungsantrag über die Vornahme einer täglichen Kontrolle und deren Art und Weise bedürfe, wenn wie im vorliegenden Fall eine Frist nicht um einen Tag sondern nur um einige Stunden versäumt worden sei. Eine tägliche Fristenkontrolle greife nur bei einer Fristversäumnis um einen Tag. Eine stündliche Fristenkontrolle innerhalb einer täglichen Kontrolle sei hingegen unzumutbar. Der Rechtsvertreter des Revisionswerbers habe daher den Fehler seiner Mitarbeiterin entgegen den Ausführungen des VwG trotz bestehender Kontrolle erst durch den ihm am 7. August 2017 zugekommenen Verspätungsvorhalt des VwG entdecken können. Das angefochtene Erkenntnis weiche somit von der Rsp des VwGH zum Erfordernis eines substantiierten Vorbringens im Wiedereinsetzungsantrag ab.
VwGH: Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Antragstellers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgegeben wird. Macht ein Wiedereinsetzungswerber ein Versehen einer Kanzleiangestellten eines bevollmächtigten Rechtsanwalts geltend, so hat er durch konkrete Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht nur darzutun, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch, dass es zur Fehlleistung der Kanzleiangestellten gekommen ist, obwohl die dem Rechtsanwalt obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflichten eingehalten wurden. Erlaubt das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag über den vom Rechtsanwalt des Wiedereinsetzungswerbers eingerichteten Kanzleibetrieb samt Kontrollsystem und über die konkreten Umstände, auf die die Versäumung der maßgeblichen Frist zurückzuführen ist, eine Beurteilung der Frage nach dem Letzterem nicht, so schließt dies die Annahme eines tauglichen Wiedereinsetzungsgrundes aus.
Der Revisionswerber stützte die begehrte Wiedereinsetzung auf ein Versehen der Kanzleiangestellten seines Rechtsvertreters, die übersehen habe, dass sich im Aktenstoß abzufertigender Schriftstücke ganz unten der Akt mit der Maßnahmenbeschwerde befunden habe, weshalb die Maßnahmenbeschwerde mittels E-Mail zwar am letzten Tag der Frist aber außerhalb der laut Kundmachung des VwG Wien nach § 13 Abs 2 und 5 AVG für die Einbringung per Telefax und E-Mail maßgeblichen Amtsstunden an das VwG versendet worden sei.
Der Wiedereinsetzungsantrag enthält jedoch kein Vorbringen, ob und welche Maßnahmen in der Rechtsanwaltskanzlei gesetzt wurden, um eine Reihung der dem Sekretariat zur Abfertigung von Schriftstücken übergebenen Akten nach Dringlichkeit sicherzustellen und somit eine fristgerechte Einbringung von Eingaben zu gewährleisten, va wenn diese per E-Mail an Verwaltungsgerichte übermittelt werden.
Dass dem beruflichen und rechtskundigen Vertreter des Revisionswerbers kein Verschulden oder ein lediglich minderer Grad des Versehens - wie im vorliegenden Fall wesentlich - bei der Organisation des Kanzleibetriebs anzulasten ist, wurde somit mit dem Wiedereinsetzungsantrag nicht dargetan.