OGH: Zur Frage, ob bei einer ungewidmeten Teilzahlung auf verschiedene Forderungen eine konkrete Aufschlüsselung des verbleibenden Begehrens aufgrund der gesetzlichen Tilgungsfolge des § 1416 ABGB unterbleiben kann
Mangels Zuordenbarkeit bilden innerhalb einer Geschäftsverbindung mehrere gleichrangig geltend gemachte – hier gleichzeitig eingeklagte – Schuldposten nach der Rsp insofern ein Ganzes, als Teilzahlungen nicht auf bestimmte Posten, sondern auf das Ganze geleistet werden; der Kläger war daher berechtigt, die von der Beklagten ungewidmet gezahlte Summe von seiner gesamten Klagsforderung abzuziehen und jenen Saldo geltend zu machen, der ihm seiner Ansicht nach darüber hinaus zusteht
§ 1416 ABGB, § 1415 ABGB
GZ 8 Ob 34/19m, 29.04.2019
OGH: Die Frage, wie eine Zahlung anzurechnen ist, wenn mehrere Schuldposten gegenüber demselben Gläubiger abzutragen sind, regelt § 1415 ABGB. Danach wird grundsätzlich diejenige Schuldpost für abgetragen gehalten, welche der Schuldner ausdrücklich mit Einwilligung des Gläubigers tilgen zu wollen erklärt hat.
Ist aber die Willenserklärung des Schuldners zweifelhaft oder hat der Gläubiger ihr widersprochen, sollen nach der dispositiven Regelung des § 1416 ABGB zuerst die Zinsen, dann das Kapital, von mehreren Kapitalien aber dasjenige, welches schon eingefordert, oder wenigstens fällig ist, und nach diesem dasjenige, welches schuldig zu bleiben dem Schuldner am meisten beschwerlich fällt, abgerechnet werden.
Wenn aufgrund einer Vereinbarung oder einer Widmung des Schuldners eine Zahlung entgegen den gesetzlichen Anrechnungsregeln angerechnet werden soll, hat die Vereinbarung bzw die Widmung derjenige zu beweisen, der sich auf die Abweichung von der gesetzlichen Tilgungsreihenfolge beruft. In allen anderen Fällen tritt ohne weiters die gesetzliche Tilgungsfolge ein.
Das Wahlrecht, auf welche Schuldposten eine Zahlung angerechnet werden soll, hat nach § 1415 ABGB nur der Schuldner, und auch dies nur, soweit der Gläubiger einwilligt bzw nicht nach § 1416 ABGB widerspricht.
Der Gläubiger kann die gesetzliche Tilgungsfolge nur durch die Reihenfolge der Einforderung bestimmen und durch einen Widerspruch beeinflussen. Die Reihenfolge der Einforderung wirkt sich lediglich insofern aus, als sie den Rang innerhalb des § 1416 ABGB determiniert. Der Widerspruch gegen eine erklärte Widmung des Schuldners hat nicht zur Folge, dass sich der Gläubiger in der Folge die Widmung selbst aussuchen kann, sondern dass die gesetzliche Tilgungsfolge eintritt.
Mangels Zuordenbarkeit bilden innerhalb einer Geschäftsverbindung mehrere gleichrangig geltend gemachte – hier gleichzeitig eingeklagte – Schuldposten nach der Rsp insofern ein Ganzes, als Teilzahlungen nicht auf bestimmte Posten, sondern auf das Ganze geleistet werden.
Der Kläger war daher berechtigt, die von der Beklagten ungewidmet gezahlte Summe von seiner gesamten Klagsforderung abzuziehen und jenen Saldo geltend zu machen, der ihm seiner Ansicht nach darüber hinaus zusteht. Von einer Unschlüssigkeit eines solchen Begehrens kann keine Rede sein.
Soweit der Kläger bei seiner Klagseinschränkung abweichend von der Regelung des § 1416 ABGB nicht von einer vorrangigen Anrechnung auf die eingeklagten Zinsen Gebrauch gemacht hat, hat die Beklagte dies nicht bemängelt. Die Ankündigung, exakt den Kapitalbetrag gezahlt zu haben, war objektiv als konkludente Widmung des Schuldners zu verstehen, der der Kläger entsprochen hat.