10.06.2019 Verfahrensrecht

OGH: § 1425 ABGB – Antrag auf Einsichtnahme in die hinterlegten Sachen

Die in Verwahrung genommenen bzw hinterlegten Gegenstände sind nicht Bestandteil des Gerichtsakts, sondern vielmehr Leistungsobjekt des Hinterlegungsverfahrens; die auf strafrechtliche Verwahrnisse anwendbare Bestimmung des § 619 Abs 1 Geo regelt die „Besichtigung der verwahrten Gegenstände“ dahin, dass diese der Staatsanwaltschaft jederzeit, anderen Behörden oder Privatpersonen aber nur mit richterlicher Bewilligung gestattet ist; auch daran zeigt sich, dass zwischen der Einsicht in den Akt und der Inaugenscheinnahme der verwahrten bzw hinterlegten Gegenstände zu differenzieren ist (durch Hinterlegung nach § 1425 ABGB wird dann ein strafgerichtliches in ein zivilgerichtliches Verwahrnis umgewandelt); der Revisionsrekurs, der die Einsichtnahme in die hinterlegten Urkunden und Datenträger mit der Akteneinsicht gleichsetzt, geht daher von einer unrichtigen Prämisse aus


Schlagworte: Gerichtliche Hinterlegung, Antrag auf Einsichtnahme in die hinterlegten Sachen, Akteneinsicht
Gesetze:

 

§ 1425 ABGB, § 342 Geo, § 219 ZPO, § 22 AußStrG, § 619 Geo

 

GZ 8 Ob 29/19a, 29.04.2019

 

OGH: Die Verfahrensparteien haben gem § 22 AußStrG iVm § 219 Abs 1 ZPO ohne weitere Voraussetzungen und zur Gewährleistung eines rechtsstaatlichen Verfahrens – abgesehen vom Grundsatz der Vorrangigkeit der gerichtlichen Tätigkeit – jederzeit und (nahezu) uneingeschränkt ein Recht auf Akteneinsicht in die sie betreffenden Akten.

 

§ 342 Geo bestimmt, dass dem Erleger und der Partei, für die erlegt wurde, ohne gerichtlichen Auftrag Einsicht in die Akten und Beilagen sowie Abschriftnahme zu gestatten ist.

 

Allein mit dem allgemeinen Recht auf Akteneinsicht kann die Fünfterlagsgegnerin ihren Antrag auf Einsichtnahme in die hinterlegten Sachen aber nicht begründen.

 

Gegenstand der Akteneinsicht ist der Gerichtsakt.

 

Gerichtsakten bestehen im Allgemeinen aus den Urschriften der Eingaben der Parteien und der anderen Verfahrensbeteiligten (Schriftsätze und Protokollaranbringen), den gerichtlichen Protokollen, Sachverständigengutachten und Aktenvermerken, den Beweisaufnahmeprotokolle eines beauftragten oder ersuchten Richters, den Beilagen (Urkunden, Beweisstücken, Vollmachten), den Beiakten, den Urschriften der Entscheidungen und Verfügungen des Gerichts, den das Verfahren betreffenden Schriftwechsel mit anderen Behörden, schließlich den Zustellnachweisen und Fehlberichten.

 

ISe materiellen Aktenbegriffs ist „der behördliche Akt die eine bestimmte Rechtssache betreffende Sammlung von Aufzeichnungen behördeninterner und -externer Vorgänge einschließlich der diese Vorgänge belegenden (betreffenden) körperlichen Sachen (wie zB Bild- und Ton- sowie elektronische Datenträger)“.

 

Die in Verwahrung genommenen bzw hinterlegten Gegenstände sind nicht Bestandteil des Gerichtsakts, sondern vielmehr Leistungsobjekt des Hinterlegungsverfahrens.

 

Die auf strafrechtliche Verwahrnisse anwendbare Bestimmung des § 619 Abs 1 Geo regelt die „Besichtigung der verwahrten Gegenstände“ dahin, dass diese der Staatsanwaltschaft jederzeit, anderen Behörden oder Privatpersonen aber nur mit richterlicher Bewilligung gestattet ist. Auch daran zeigt sich, dass zwischen der Einsicht in den Akt und der Inaugenscheinnahme der verwahrten bzw hinterlegten Gegenstände zu differenzieren ist (durch Hinterlegung nach § 1425 ABGB wird dann ein strafgerichtliches in ein zivilgerichtliches Verwahrnis umgewandelt).

 

Der Revisionsrekurs, der die Einsichtnahme in die hinterlegten Urkunden und Datenträger mit der Akteneinsicht gleichsetzt, geht daher von einer unrichtigen Prämisse aus.

 

Im Erlagsverfahren findet eine Untersuchung der rechtlichen Beziehungen der Beteiligten nicht statt. Mangels Einigung zwischen den Beteiligten sind über essenzielle Vorfragen für die Ausfolgung streitige Zivilprozesse zu führen.

 

Eine Klärung der (strittigen) Frage, wessen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse die hinterlegten Urkunden und Datenträger verkörpern und ob sowie unter welchen Voraussetzungen einem der Erlagsgegner – hier der Fünfterlagsgegnerin – Zugang dazu zu gewähren ist, kommt im außerstreitigen Verfahren nicht in Betracht.