03.06.2019 Zivilrecht

OGH: Zurückforderung von Unterhaltsbeiträgen iZm nicht ernsthaft und zielstrebig betriebenem Studium

Selbst wenn man die Ansicht, bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 2 Abs 1 lit b FLAG sei von einem ernsthaft und zielstrebig betriebenen Studium auszugehen, als „Unwissenheit der gesetzlichen Vorschriften“ (§ 326 Satz 3 ABGB), also als rechtsirrig betrachten sollte, so ist doch nicht ersichtlich, warum es dem Beklagten als Fahrlässigkeit vorgeworfen werden sollte, ebendieser Meinung gewesen zu sein; bei Prüfung der Redlichkeit des Leistungsempfängers ist ein durchschnittliches Maß an Sorgfalt (iSd § 1297 ABGB) anzuwenden; diffizile juristische Beurteilungen seines Unterhaltsanspruchs können von einem Unterhaltsberechtigten grundsätzlich nicht erwartet werden; sie würden dieses Maß jedenfalls übersteigen; da die Ansicht, ein den Unterhaltsanspruch wahrendes ernsthaft und zielstrebig betriebenes Studium liege bei Erfüllung der Voraussetzungen zum Bezug der Familienbeihilfe vor, in der Vergangenheit von der Judikatur zumindest als Grundsatz vertreten wurde und sich diese Ansicht in pauschalierter Form auch in der aktuellen Literatur findet, kann es einem Studenten nicht vorgeworfen werden, ohne weiteres Besagtes anzunehmen


Schlagworte: Familienrecht, Kindesunterhalt, Bereicherungsrecht, Kondiktion, Studium, Studienerfolgsnachweise, Familienbeihilfe, Fahrlässigkeit, Rechtsirrtum
Gesetze:

 

§ 231 ABGB, § 1431 ABGB, § 1437 ABGB, § 2 FLAG

 

GZ 8 Ob 38/19z, 29.04.2019

 

OGH: Nach stRsp können ohne Rechtsgrundlage gezahlte Unterhaltsbeträge dann nicht zurückgefordert werden, wenn sie gutgläubig verbraucht wurden. Dieser Rsp liegt vornehmlich der Gedanke zugrunde, dass bei gutgläubigem Verbrauch von Unterhaltsleistungen von einer echten Bereicherung nicht gesprochen werden kann.

 

Es ist im Hinblick auf § 328 ABGB Sache des kondizierenden Klägers, die Unredlichkeit des Beklagten zu behaupten und unter Beweis zu stellen. Ein Rechtsirrtum bewirkt für sich aufgrund der ausdrücklichen Bestimmung des § 326 Satz 3 ABGB, wonach man aus Irrtum in [über] Tatsachen oder aus Unwissenheit der gesetzlichen Vorschriften ein unrechtmäßiger und doch ein redlicher Besitzer sein kann, noch nicht zwangsläufig Fahrlässigkeit.

 

Nach der Rsp schließt Vorsatz und jegliche Fahrlässigkeit – also auch bereits leicht fahrlässige Unkenntnis – die Redlichkeit aus. Der gute Glaube des Empfängers wird schon dann verneint, wenn er zwar nicht nach seinem subjektiven Wissen, aber bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit des ihm ausgezahlten Betrags auch nur zweifeln musste. Während ein Teil der Lehre derselben Ansicht wie die Rsp ist, lässt ein anderer Teil leichte Fahrlässigkeit nicht schaden. Die Streitfrage kann hier unerörtert bleiben, weil der Beklagte, der festgestelltermaßen subjektiv davon überzeugt war, solange Unterhalt vom Kläger zu erhalten, solange er die Voraussetzungen der Familienbeihilfe erfülle, auch bei objektiver Beurteilung keine Veranlassung hatte, an der Rechtmäßigkeit des ihm ausgezahlten Unterhalts zu zweifeln, sodass ihm nicht einmal leichte Fahrlässigkeit zur Last fiel:

 

Vom OGH wurde in der Vergangenheit zuweilen ausgesprochen, dass aus der Erfüllung der in § 2 Abs 1 lit b FLAG statuierten Kriterien für die Gewährung von Familienbeihilfe im Allgemeinen abgeleitet werden könne, dass das Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben wird; zeitliche Grenze des Unterhaltsanspruchs sei das Erreichen der durchschnittlichen Studiendauer der betreffenden Studienrichtung. Die Ansicht, dass bei Erfüllung der Voraussetzungen der Familienbeihilfe im Allgemeinen von einem – den Unterhaltsanspruch wahrenden – ernsthaft und zielstrebig betriebenen Studium ausgegangen werden könne, wurde in jüngeren Entscheidungen des OGH eingeschränkt und ausgesprochen, die Erfüllung der Voraussetzungen für die Gewährung von Familienbeihilfe sei nur ein Indiz bzw eine grobe Orientierung für die Frage, ob ein Studium zielstrebig und ernsthaft betrieben wird. Auch stelle die Erfüllung der Voraussetzungen des § 2 Abs 1 lit b FLAG für die Familienbeihilfe nur bei in Studienabschnitten gegliederten Studien eine geeignete Orientierungsgrundlage dar. Letztlich wurde vertreten, dass sowohl bei in Studienabschnitten gegliederten als auch bei solchen Studien, bei denen dies nicht der Fall ist, eine eigenständige Beurteilung der vom Unterhaltswerber erbrachten Studienleistungen erfolgen könne. Andererseits findet sich in der aktuellen Kommentarliteratur durchaus eine Gleichsetzung der Voraussetzung des Unterhaltsanspruchs eines Studenten, das Studium ernsthaft und zielstrebig zu betreiben, mit der Erfüllung der Voraussetzungen des § 2 Abs 1 lit b FLAG.

 

Selbst wenn man die Ansicht, bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 2 Abs 1 lit b FLAG sei von einem ernsthaft und zielstrebig betriebenen Studium auszugehen, als „Unwissenheit der gesetzlichen Vorschriften“ (§ 326 Satz 3 ABGB), also als rechtsirrig betrachten sollte, so ist doch nicht ersichtlich, warum es dem Beklagten als Fahrlässigkeit vorgeworfen werden sollte, ebendieser Meinung gewesen zu sein. Bei Prüfung der Redlichkeit des Leistungsempfängers ist ein durchschnittliches Maß an Sorgfalt (iSd § 1297 ABGB) anzuwenden. Diffizile juristische Beurteilungen seines Unterhaltsanspruchs können von einem Unterhaltsberechtigten grundsätzlich nicht erwartet werden. Sie würden dieses Maß jedenfalls übersteigen. Da die Ansicht, ein den Unterhaltsanspruch wahrendes ernsthaft und zielstrebig betriebenes Studium liege bei Erfüllung der Voraussetzungen zum Bezug der Familienbeihilfe vor, in der Vergangenheit von der Judikatur zumindest als Grundsatz vertreten wurde und sich diese Ansicht in pauschalierter Form auch in der aktuellen Literatur findet, kann es einem Studenten nicht vorgeworfen werden, ohne weiteres Besagtes anzunehmen.

 

Der Kläger vertritt nun in der Revision die Ansicht, der Beklagte hätte an seiner Rechtsansicht deshalb zweifeln müssen, weil nach Ansicht des Beklagten acht ECTS-Punkte pro Semester zur Erhaltung des Unterhaltsanspruchs ausreichten, sodass er 22,5 Semester für das gesamte Studium benötigen könnte; die Absurdität dessen hätte dem Beklagten auffallen müssen und Veranlassung zu weiterer Recherche gegeben. Damit geht der Kläger aber nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Es steht nämlich fest, dass der Beklagte der Ansicht war, dass für die Unterhaltsberechtigung dieselben Kriterien maßgebend wären wie für die Berechtigung zum Bezug der Familienbeihilfe. § 2 Abs 1 lit b FLAG verlangt ua, dass die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester überschritten wird. Weil die Mindeststudienzeit des inskribierten Bachelorstudiums sechs Semester beträgt, hätte der Beklagte unter Zugrundelegung seiner eigenen Vorstellung erst mit einem Erlöschen der Unterhaltspflicht mit Ablauf des siebenten Semesters zu rechnen gehabt. Revisionsgegenständlich ist allein der vom dritten bis zum ersten Monat des sechsten Semesters geleistete Unterhalt. Von einer abwegigen und damit objektiv zu rechtlicher Erkundung Anlass gebenden Vorstellung des Beklagten über die Länge der Unterhaltspflicht des Klägers kann keine Rede sein.

 

Dem Kläger ist der ihm obliegende Nachweis einer Unredlichkeit des Beklagten bei Verbrauch des Unterhalts nicht gelungen. Die Vorinstanzen haben die Kondiktionsklage zutreffend wegen redlichen Unterhaltsverbrauchs abgewiesen.