VwGH: § 98 Abs 2 BAO – zur Wirksamkeit der elektronischen Zustellung bei Wohnsitzwechsel
Wer seine Abgabestelle aufgibt und anderswo eine neue begründet, ist damit nur von seiner früheren und nicht von seiner aktuellen Abgabestelle abwesend und wird die Empfangseinrichtungen - anders als in einem Urlaub - idR mitgenommen haben; erweist sich dies etwa wegen der Verhältnisse an der neuen Abgabestelle und/oder einer geplanten späteren Rückkehr an die frühere Abgabestelle nicht als opportun, so verbleibt die in § 5b FinanzOnline-Verordnung 2006 geregelte Möglichkeit, auf die elektronische Form der Zustellung zu verzichten
§ 98 BAO, § 2 ZustG, § 35 ZustG
GZ Ra 2018/13/0014, 23.01.2019
Das BFG ist davon ausgegangen, die in § 98 Abs 2 erster Satz BAO getroffene Regelung werde durch den dritten Satz nur für den Fall einer vorübergehenden, die Dauer etwa eines langen Urlaubes nicht übersteigenden Abwesenheit, aber nicht für den hier vorliegenden Fall eines "Untergangs" der Abgabestelle durchbrochen.
Der Revisionswerber, der nicht bestreitet, dass die elektronisch zugestellten Dokumente in seinen elektronischen Verfügungsbereich iSd § 98 Abs 2 erster Satz BAO gelangt sind, hält dem entgegen, die "Verschiebung des Zustellzeitpunkts auf den Tag nach der Rückkehr an die Abgabestelle" müsse "umso mehr" gelten, wenn die Abwesenheit so lange dauere, dass die Abgabestelle iSd vom BFG zitierten Erkenntnisses des VwGH sogar "aufgehoben" sei. Zu dem vom Gesetzgeber mit der Regelung "offenbar" verfolgten Konzept vertritt der Revisionswerber dabei die Ansicht, der Empfänger solle die Möglichkeit haben, "das zugestellte Dokument an ¿seinem PC' an seiner Abgabestelle zu empfangen und nicht (beispielsweise) in irgendeinem Internetcafe des jeweiligen Aufenthaltsorts".
VwGH: Dieser Deutung des mit der Regelung verfolgten Ziels ist beizupflichten. Sie dient erkennbar dazu, die geordnete Empfangnahme und Bearbeitung der Sendung - bei Bedarf etwa auch durch Herstellung von Ausdrucken - mit Hilfe der vom Empfänger für solche Zwecke regelmäßig verwendeten und nach seinen Vorstellungen gesicherten Einrichtungen zu ermöglichen, und geht davon aus, dass dem eine Abwesenheit von der dafür verwendeten Abgabestelle gem (jetzt) § 2 Z 4 ZustG idR entgegensteht. Schützenswert sind etwa Urlaubszeiten des Empfängers, die auch nicht mit täglichem Prüfen möglicher Zustellungen aus der Ferne belastet sein sollen. Dass Letzteres an Fremdgeräten oder eigenen mobilen Kleingeräten möglich wäre, wird mit der Annahme eines Hindernisses iSd § 98 Abs 2 dritter Satz BAO bei Beachtung des Gesetzeszwecks meist vereinbar sein (vgl wohl in einem ähnlichen Sinn nun auch § 35 Abs 7 Z 2 ZustG idF des Deregulierungsgesetzes 2017). Eine gewisse Verzögerung der Zustellwirkung und den mit der Feststellung ihrer Voraussetzungen verbundenen Verfahrensaufwand nimmt das Gesetz in solchen Fällen in Kauf.
Auf den Sachverhalt einer Übersiedlung mit wenn auch nur temporärer Aufgabe der bisherigen Abgabestelle, dessen Vorliegen im Revisionsfall in der Revision nicht bestritten wird, lässt sich dies aber nicht übertragen. Wer seine Abgabestelle aufgibt und anderswo eine neue begründet, ist damit nur von seiner früheren und nicht von seiner aktuellen Abgabestelle abwesend und wird die zuvor erwähnten Empfangseinrichtungen - anders als in einem Urlaub - idR mitgenommen haben. Erweist sich dies etwa wegen der Verhältnisse an der neuen Abgabestelle und/oder einer geplanten späteren Rückkehr an die frühere Abgabestelle nicht als opportun, wie dies beim Revisionswerber der Fall gewesen sein könnte, so verbleibt die in § 5b FinanzOnline-Verordnung 2006 geregelte Möglichkeit, auf die elektronische Form der Zustellung zu verzichten. Für den Fall, dass dies nicht geschieht, würde die in der Revision vertretene Auffassung bedeuten, dass die Wirksamkeit aus der Sicht der Behörde schon bewirkter Zustellungen nicht nur begrenzt im Umfang üblicher Abwesenheiten, sondern uUn um Jahre hinausgeschoben oder - mangels Rückkehr an die frühere Abgabestelle - niemals eintreten würde, ohne dass sich die Erwägungen, auf denen § 98 Abs 2 dritter Satz BAO beruht, dafür ins Treffen führen ließen.