OGH: § 95 AußStrG – zu den Aufklärungspflichten des Richters im außerstreitigen (einvernehmlichen) Scheidungsverfahren
Es bestand keine Verpflichtung, auf die Einholung einer Rechtsberatung zu den Scheidungsfolgen zu drängen oder zur Voraussetzung der Scheidung zu machen, weil dies – im Gegensatz zur in § 95 Abs 1a AußStrG vorgesehenen Elternberatung – nicht gesetzlich vorgesehen ist; dass das Berufungsgericht einen (unvertretbaren) Verstoß der Scheidungsrichterin gegen § 95 Abs 2 AußStrG, wonach das Gericht die Parteien zum Abschluss eines Scheidungsvergleichs anzuleiten hat, verneinte, ist unbedenklich, normiert doch auch diese Bestimmung kein generelles Erfordernis einer umfassenden Wahrung der wirtschaftlichen Interessen einer unvertretenen Partei
§ 95 AußStrG
GZ 1 Ob 72/19y, 30.04.2019
OGH: Die Argumentation des Revisionswerbers zu den allgemeinen Aufklärungspflichten des Gerichts gegenüber im Verfahren nicht anwaltlich vertretenen Parteien (wobei er sich neben der – eine Aufklärungspflichtverletzung in einem arbeitsrechtlichen Verfahren betreffenden – Entscheidung 1 Ob 12/80 primär auf den Rechtssatz RS0110451 und dabei va auf die – eine Aufklärungspflichtverletzung in einem mietrechtlichen Verfahren betreffende – Entscheidung 1 Ob 154/98y stützt) übersieht, dass die Anforderungen an die Aufklärung der Parteien im außerstreitigen (einvernehmlichen) Scheidungsverfahren in § 95 Abs 1 AußStrG besonders geregelt sind. Nach der bei Abschluss des Scheidungsvergleichs am 9. 5. 2014 geltenden Fassung dieser Bestimmung hat das Gericht eine nicht rechtsanwaltlich vertretene Partei, die keine Beratung über die gesamten Scheidungsfolgen in Anspruch genommen hat, (bloß) auf entsprechende Beratungsangebote und allgemein auf die Nachteile hinzuweisen, die durch ungenügende Kenntnisse über diese Folgen entstehen können. Dieser allgemeinen Hinweispflicht kam die Scheidungsrichterin, die den Parteien auch – wie dies § 95 Abs 1 AußStrG zweiter Satz vorsieht – die Gelegenheit zur Einholung einer (Rechts-)Beratung einräumte (was diese allerdings nicht nutzten), nach. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers bestand keine Verpflichtung, auf die Einholung einer Rechtsberatung zu den Scheidungsfolgen zu drängen oder zur Voraussetzung der Scheidung zu machen, weil dies – im Gegensatz zur in § 95 Abs 1a AußStrG vorgesehenen Elternberatung – nicht gesetzlich vorgesehen ist.
Auch dass das Berufungsgericht einen (unvertretbaren) Verstoß der Scheidungsrichterin gegen § 95 Abs 2 AußStrG, wonach das Gericht die Parteien zum Abschluss eines Scheidungsvergleichs anzuleiten hat, verneinte, ist unbedenklich, normiert doch auch diese Bestimmung kein generelles Erfordernis einer umfassenden Wahrung der wirtschaftlichen Interessen einer unvertretenen Partei.
Das Berufungsgericht ging auch zutreffend davon aus, dass über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Vereinbarung einer monatlichen Ratenzahlung von 100 EUR bei einer Gesamtforderung von 50.000 EUR bereits deshalb nicht aufzuklären war, weil die Konsequenzen einer solchen Vereinbarung offenkundig sind. Dies trifft auch auf den Umstand zu, dass der Scheidungsvergleich keine Besicherung (etwa durch ein Pfandrecht), keine Verzinsung und Wertsicherung der Forderung des Klägers und für den Fall des Verzugs der Ehefrau keinen „Terminsverlust“ vorsah. Auch das mit jeder Forderung verbundene allgemeine Einbringlichkeits-(Bonitäts-)risiko musste dem Kläger bewusst sein, wobei er aber ohnehin keine Gefahr der Uneinbringlichkeit seiner Forderung behauptet.
Soweit der Kläger in der Revision den Vorwurf aufrecht erhält, er sei pflichtwidrig nicht darüber aufgeklärt worden, dass er seine Forderung aus dem Scheidungsvergleich erst mit Klage durchsetzen müsse, ist ein solcher Vorwurf schon deshalb unberechtigt, weil der – wie hier – vor Gericht abgeschlossene Scheidungsvergleich einen gerichtlichen Exekutionstitel darstellt. Inwiefern aus der Formulierung des Vergleichs dessen fehlende Vollstreckbarkeit resultieren soll, wird in der Revision nicht dargelegt.