OGH: § 9 Abs 2 EKHG – zur Frage, ob es für die Beurteilung der Vorwerfbarkeit des Fahrverhaltens eines Buslenkers auf die äußere Erscheinung des Fahrgastes ankommt (hier: Bremsmanöver des Busfahrers um Zusammenstoß mit entgegenkommendem Pkw zu vermeiden)
Auch beim Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG muss zwar die Möglichkeit ungeschickten Verhaltens anderer, wenn sie nahe liegt, mitberücksichtigt werden; soweit aber die Revisionswerberin dem Buslenker vorwirft, nicht bereits auf die unsichere Fahrweise des ersten entgegenkommenden Fahrzeugs mit einer Geschwindigkeitsverringerung reagiert zu haben, ist dem Berufungsgericht keine aufzugreifende Verkennung der Rechtslage unterlaufen; seine Rechtsansicht, auch ein umsichtiger und äußerst sorgfältiger Buslenker müsse nicht damit rechnen, dass entgegenkommende Lenker – selbst wenn ein vor ihnen fahrendes Fahrzeug nur langsam bewegt werde – trotz Gegenverkehrs plötzlich und ohne Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers zum Überholen ansetzten, ist unbedenklich und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf
§ 9 EKHG
GZ 2 Ob 45/19k, 29.04.2019
OGH: Das Erstgericht hat festgestellt, dass es der Klägerin bei einem festen Griff an der Haltestange möglich gewesen wäre, einen Sturz zu vermeiden. Die Frage, ob für diese Feststellung zusätzlich ein medizinisches Sachverständigengutachten erforderlich gewesen wäre, oder ob sie schon aufgrund des kfz-technischen Gutachtens getroffen werden konnte, ist eine solche der Beweiswürdigung und daher nicht revisibel.
Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
Zu den Grundsätzen des Entlastungsbeweises nach § 9 Abs 2 EKHG besteht umfassende Judikatur.
Nach der Rsp zu öffentlichen Verkehrsmitteln ist dessen Lenker nicht gehalten, mit der Abfahrt so lange zuzuwarten, bis alle Fahrgäste die Plätze eingenommen haben. Vielmehr dürfen die Betriebsgehilfen bei Betriebsvorgängen, die die Schwelle zur außergewöhnlichen Betriebsgefahr nicht überschreiten, im Hinblick auf § 11 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Kraftfahrlinienverkehr, BGBl II 2001/47 (wonach jeder Fahrgast sich im Fahrzeug dauernd festen Halt zu verschaffen hat), damit rechnen, dass die Fahrgäste die zur Eigensicherung nötigen Vorkehrungen treffen werden.
Eine damit in Zusammenhang stehende, für den Entlastungsbeweis relevante, relativ überhöhte Geschwindigkeit ist aus den Feststellungen nicht ersichtlich.
Auch beim Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG muss zwar die Möglichkeit ungeschickten Verhaltens anderer, wenn sie nahe liegt, mitberücksichtigt werden. Soweit aber die Revisionswerberin dem Buslenker vorwirft, nicht bereits auf die unsichere Fahrweise des ersten entgegenkommenden Fahrzeugs mit einer Geschwindigkeitsverringerung reagiert zu haben, ist dem Berufungsgericht keine aufzugreifende Verkennung der Rechtslage unterlaufen. Seine Rechtsansicht, auch ein umsichtiger und äußerst sorgfältiger Buslenker müsse nicht damit rechnen, dass entgegenkommende Lenker – selbst wenn ein vor ihnen fahrendes Fahrzeug nur langsam bewegt werde – trotz Gegenverkehrs plötzlich und ohne Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers zum Überholen ansetzten, ist unbedenklich und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf.
In der den Einzellfall betreffenden Beurteilung des Berufungsgerichts, dass hier der Entlastungsbeweis nach § 9 Abs 2 EKHG erbracht wurde, kann daher im Ergebnis keine Fehlbeurteilung erblickt werden, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte.