OGH: Beschlussanfechtung nach den § 24 Abs 6, § 29 WEG 2002
Da sich die (eingeschränkte) Amtswegigkeit im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nur auf den geltend gemachten Beschlussanfechtungsgrund erstreckt, hat sich das Gericht auf diesen zu beschränken; konkretes Vorbringen, aus welchen Gründen die Beschlussfassung formell mangelhaft sein soll, ist innerhalb der Frist des § 24 Abs 6 WEG 2002 zu erstatten; ein späteres Vorbringen, der Beschluss sei auch oder aus anderen formellen Gründen mangelhaft, ist verfristet und unbeachtlich
§ 24 WEG 2002, § 29 WEG 2002, § 52 WEG 2002
GZ 5 Ob 230/18m, 17.01.2019
OGH: Es entspricht stRsp, dass die Beschlussanfechtung nach den § 24 Abs 6, § 29 WEG 2002 grundsätzlich von der Dispositionsmaxime des anfechtenden Miteigentümers getragen ist und dem Gericht dabei keine Regelungsfunktion zukommt. Es ist vielmehr an den Sachantrag insoweit gebunden, als es ihm stattgeben oder ihn abweisen kann, ohne eine allenfalls billige Lösung für alle Beteiligten zu finden. Da sich die (eingeschränkte) Amtswegigkeit im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren demnach nur auf den geltend gemachten Beschlussanfechtungsgrund erstreckt, hat sich das Gericht auf diesen zu beschränken. Konkretes Vorbringen, aus welchen Gründen die Beschlussfassung formell mangelhaft sein soll, ist innerhalb der Frist des § 24 Abs 6 WEG 2002 zu erstatten. Ein späteres Vorbringen, der Beschluss sei auch oder aus anderen formellen Gründen mangelhaft, ist verfristet und unbeachtlich. Die Auffassung der Vorinstanzen, die Antragstellerin hätte binnen Monatsfrist ab Hausanschlag konkretes Vorbringen zum Beschlussanfechtungsgrund erstatten müssen, folgt dieser Rsp.
Die Vorinstanzen haben das Parteivorbringen der Antragstellerin zu formellen Mängeln der Beschlussanfechtung als unzureichend beurteilt. Der Auslegung des Parteivorbringens auf seine Behauptungstauglichkeit für den geltend gemachten Anspruch kommt aber keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, es sei denn, die Auslegung des Parteivorbringens wäre mit seinem Wortlaut unvereinbar oder verstieße gegen die Denkgesetz. Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor.
Die Antragstellerin führte in ihrem Antrag vom 23. 10. 2017 lediglich an, sie könne mangels Reaktion des Initiators der Beschlussfassung nicht beurteilen, ob die Willensbildung und Beschlussfassung den Anforderungen des § 24 WEG 2002 genüge. Bis zum Beweis des Gegenteils müsse davon ausgegangen werden, dass nicht allen Wohnungseigentümern Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden sei. Darin kein ausreichend konkretes Vorbringen zu einem bestimmten formellen Beschlussanfechtungsgrund zu sehen, verstößt weder gegen die Denkgesetze noch ist dies mit seinem Wortlaut unvereinbar; hervorgehoben sei dabei insbesondere, dass die Antragstellerin nicht einmal in Bezug auf ihre eigene Person behauptet, sie habe keine Gelegenheit zur Äußerung gehabt oder ein Schriftstück sei nicht an ihre korrekte Adresse verschickt worden. Die konkrete Behauptung, in vier Fällen hätten anstelle der stimmberechtigten Fruchtgenussberechtigten die grundbücherlichen Eigentümer abgestimmt, fand sich erstmals im Schriftsatz vom 10. 1. 2018 und damit weit nach Ablauf der Frist des § 24 Abs 6 WEG 2002, zumal nach dem Vorbringen der Antragstellerin selbst der Anschlag des von ihr angegriffenen Beschlusses bereits am 2. 10. 2017 erfolgt war.
Die im außerordentlichen Revisionsrekurs erörterten Fragen des „Transparenzgebots“ betreffend das Abstimmungsverhalten der Mit- und Wohnungseigentümer und der Modalitäten des Abstimmungsvorgangs sind hier nicht zu beantworten. Nach dem Antragsvorbringen hat zwar der Initiator der Beschlussfassung auf die Aufforderung, die Abstimmungsunterlagen und seine Vollmacht zu übersenden, nicht reagiert. Dass er die Transparenz verweigert oder die Anonymität der Beschlussfassung bereits im Vorfeld zugesagt hätte, was allenfalls zur Gesetzwidrigkeit des Abstimmungsvorgangs führen hätte können, ergibt sich daraus nicht. Dazu kommt, dass das Antragsvorbringen gar nicht erkennen lässt, dass der Initiator der Abstimmung überhaupt als Vertreter eines Wohnungseigentümers gehandelt hat und für wen er aufgetreten sein soll. Die Verpflichtung zur Transparenz trifft gem § 20 Abs 7 WEG 2002 primär den Verwalter, der auf Verlangen jedes Wohnungseigentümers im Fall einer schriftlichen Willensbildung (§ 24 Abs 1 WEG 2002) über das Stimmverhalten der anderen Wohnungseigentümer Auskunft zu geben hat. Dass es der Antragstellerin nicht gelungen wäre, entweder bei der abberufenen oder aber der neu bestellten Hausverwaltung Abstimmungsunterlagen zu erhalten, behauptet sie in ihrem Antrag nicht. Dass die Vorgangsweise des Initiators der Abstimmung der angeblich überstimmten Minderheit von vornherein die Möglichkeit genommen hätte, den ihr zustehenden Informationsanspruch durchzusetzen, ist daher nicht ersichtlich. Die im Revisionsrekurs angesprochene Beweislastverteilung ist mangels ausreichenden Vorbringens nicht zu erörtern.