13.05.2019 Zivilrecht

OGH: § 9 WEG 2002 – Antrag auf Neufestsetzung der Nutzwerte der Wohnungseigentumsobjekte

Die Nutzwerte sind in einem jeder Dispositionsbefugnis der Parteien entzogenen Verfahren für alle als Wohnungseinheiten in Betracht kommenden Objekte einer Liegenschaft ausgehend von der jeweiligen materiellen Rechtslage entsprechend der konkreten Widmung festzusetzen; gerade die falsche Einordnung in einer der drei wohnungseigentumsrechtlichen Kategorien (Wohnungseigentumsobjekt, Zubehör, allgemeiner Teil der Liegenschaft) ist § 9 Abs 2 Z 1 WEG 2002 zu unterstellen; die Bestimmung ist somit auch anzuwenden, wenn sich der als Wohnungseigentumsobjekt gewidmete Abstellraum als wohnungseigentumsuntauglich herausstellt


Schlagworte: Wohnungseigentumsrecht, Neufestsetzung der Nutzwerte, wohnungseigentumsuntauglich
Gesetze:

 

§ 9 WEG 2002, § 52 WEG 2002, § 3 WEG 2002

 

GZ 5 Ob 225/18a, 17.01.2019

 

OGH: Grundlage der Nutzwertfestsetzung war schon nach der Rechtslage bei Wohnungseigentumsbegründung der Parteien (§§ 3 ff, 26 Abs 1 Z 1 WEG 1975) und ist unverändert (§§ 9, 52 Abs 1 Z 1 WEG 2002) die der jeweiligen materiellen Rechtslage entsprechende konkrete Widmung, die der Außerstreitrichter von Amts wegen als Vorfrage zu prüfen hat. Dies gilt auch für die Neufestsetzung des Nutzwerts. Eine Neufestsetzung der Nutzwerte war daher schon nach dem WEG 1975 dann möglich, wenn die Nutzwertfestsetzung von der wahren materiellen Rechtslage abwich. Gerade in Bezug auf die Frage der Wohnungseigentumstauglichkeit von Objekten gilt die Bindung der Nutzwert-(Neu-)festsetzung an zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung. Ausgangspunkt der Nutzwertberechnung müssen die zwingenden einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und die – der Rechtslage entsprechende – Widmung sein, sodass allgemeine Teile von der Nutzwertfestsetzung nicht erfasst werde. Von diesen Grundsätzen wich auch die Entscheidung 5 Ob 157/11s nicht ab, die davon sprach, dass es für die Nutzwertfestsetzung nicht nur auf die abstrakte Tauglichkeit von Objekten, sondern auch auf die konkrete Widmung als Wohnungseigentumsobjekt, Zubehörwohnungseigentum oder allgemeiner Teil ankommt. Unter Hinweis auf 5 Ob 311/03a erörterte der Senat, dass § 3 Abs 2 WEG 2002 die Erfassung aller wohnungseigentumstauglichen und nicht als allgemeine Teile gewidmeten Objekte im Rahmen der Nutzwertfestsetzung und die tatsächliche Wohnungseigentumsbegründung daran verlangt. In der von der Revisionsrekurswerberin zitierten Entscheidung 5 Ob 137/17h referierte der erkennende Senat die stRsp, wonach die Begründung von Wohnungseigentum an allgemeinen Teilen der Liegenschaft, also Teilen, die der allgemeinen Benützung dienen und deren Zweckbestimmung einer ausschließlichen Nutzung entgegensteht, unwirksam ist, darauf beruhende Grundbuchseintragungen sind nichtig. Bis zu einer Rückabwicklung sind die Wohnungseigentümer mangels eines dem Gesetz entsprechenden Mindestanteils entgegen dem Grundbuchsstand rechtlich nicht Wohnungseigentümer, sondern nur schlichte Miteigentümer. Der erkennende Senat wies aber ausdrücklich darauf hin, dass die Bereinigung durch eine der wahren Rechtslage entsprechende Neufestsetzung der Nutzwerte zu erfolgen hat.

 

Die Entscheidung der Vorinstanzen folgt dieser Rsp und ist daher nicht korrekturbedürftig. Wollte man mit der 5.-Antragsgegnerin von einer Nichtigkeit der Wohnungseigentumsbegründung wegen der unzulässigen Festsetzung eines Nutzwerts für ein nicht wohnungseigentumstaugliches Objekt ausgehen, würde dies nichts am Recht des Antragstellers ändern, im Weg der Neufestsetzung der Nutzwerte zu einer Bereinigung zu gelangen.

 

Im Übrigen kommt es – wie die Revisionsrekurswerberin selbst erkennt – bei der Nutzwert-(Neu-)festsetzung zwar auch auf die konkrete Widmung als Wohnungseigentumsobjekt, Zubehörwohnungseigentum oder allgemeinen Teil an, weil die Nutzwertfestsetzung die vertragliche Einigung und den Widmungsakt nachzuvollziehen hat, daneben spielt aber die abstrakte Tauglichkeit von Objekten ebenso eine relevante Rolle, sodass eine der Rechtslage nicht entsprechende Widmung keine Grundlage der Nutzwertberechnung bilden kann. Abgesehen davon, dass der Abstellraum III der 5.-Antragsgegnerin – in der Natur ein im Kellergeschoss gelegenes Gang-WC mit einer Fläche von 2,03 m2 – seit jeher unversperrt war und von Mitarbeitern des Hausreinigungsunternehmens und von im Haus arbeitenden Handwerkern genutzt wurde (nicht hingegen von der 5.-Antragsgegnerin, die den Raum erst anlässlich der Streitigkeiten Ende 2016/Anfang 2017 umgestaltete und versperrte), würde selbst eine aufrechte Widmung als Wohnungseigentumsobjekt hier dem Antrag auf Neufestsetzung des Nutzwerts nicht entgegenstehen, weil die materielle Rechtslage eine derartige Widmung verbietet. Die Nutzwerte sind in einem jeder Dispositionsbefugnis der Parteien entzogenen Verfahren für alle als Wohnungseinheiten in Betracht kommenden Objekte einer Liegenschaft ausgehend von der jeweiligen materiellen Rechtslage entsprechend der konkreten Widmung festzusetzen. Gerade die falsche Einordnung in einer der drei wohnungseigentumsrechtlichen Kategorien (Wohnungseigentumsobjekt, Zubehör, allgemeiner Teil der Liegenschaft) ist § 9 Abs 2 Z 1 WEG 2002 zu unterstellen. Die Bestimmung ist somit auch anzuwenden, wenn sich der als Wohnungseigentumsobjekt gewidmete Abstellraum als wohnungseigentumsuntauglich herausstellt. Die Entscheidung 5 Ob 157/11s betraf einen anderen Sachverhalt (bauliche Änderungen eines Wohnungseigentümers, der seine Objekte mit einer Nachbarliegenschaft verbunden hatte). Ein Abweichen des Rekursgerichts von höchstgerichtlicher Rsp ist daher nicht zu erkennen.