OGH: Zur Versagung der Vollstreckbarerklärung wegen Verstoß gegen den ordre public
Es besteht keine Bindung, wenn ein Gericht eines anderen Mitgliedsstaats das Vorliegen eines ordre public-Verstoßes bejaht oder verneint hat; entscheidend ist der eigene ordre public
§§ 406 ff EO, Art 34 EuGVVO 2001, Art 45 EuGVVO 2012, Art 6 EMRK
GZ 3 Ob 251/18k, 20.02.2019
OGH: Nach Art 45 Abs 1 lit a EuGVVO wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde. Dem Wortlaut nach ist der ordre public des Zweitstaats, also des Anerkennungsstaats, entscheidend. Schon daraus folgt, dass eine Anerkennung nicht mit der Begründung verweigert werden kann, sie verstoße gegen den ordre public eines dritten Staats. Abgesehen davon sind Exequaturentscheidungen grundsätzlich nicht anzuerkennen. Daher besteht auch keine Bindung, wenn ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats das Vorliegen eines ordre public-Verstoßes bejaht oder verneint hat.
Ein solcher Verstoß wäre nur dann zu bejahen, wenn die Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung mit der österreichischen Rechtsordnung völlig unvereinbar wäre. Dazu müsste der Verstoß gegen die öffentliche Ordnung offensichtlich sein, was verdeutlicht, dass dieser Versagungsgrund nur in Ausnahmefällen geltend gemacht werden kann. Es handelt sich um eine Ausnahmeregel, von der nur sparsamster Gebrauch gemacht werden darf. Eine Vollstreckung ist nur zu versagen, wenn dem Exekutionstitel mit der inländischen Rechtsordnung vollkommen unvereinbare ausländische Rechtsgedanken zugrunde liegen und daher die Vollstreckbarkeit des ausländischen Titels mit der inländischen Rechtsordnung völlig unvereinbar ist. Eine schlichte Unbilligkeit des Ergebnisses genügt ebensowenig wie der bloße Widerspruch zu zwingenden österreichischen Vorschriften. Gegenstand der Verletzung müssen vielmehr Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung sein. Als Faustregel gilt, dass das Ergebnis der Anerkennung der Entscheidung nach der inländischen Rechtsordnung schlicht untragbar wäre.
Beim hier zu beurteilenden verfahrensrechtlichen ordre public ist in erster Linie nicht an eine unfaire Verfahrensordnung, sondern an grobe Pannen im gerichtlichen Verfahren gedacht, also an Verstöße gegen das Verfahrensrecht des Titelstaats. Gröbste, nicht mehr sanierbare Fehler im Verfahren des Entscheidungsstaats hindern die Anerkennung dann, wenn von einem geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren, einem fair trial, nicht mehr die Rede sein kann. Im Zentrum stehen dabei die durch Art 6 EMRK ausgedrückten verfahrensrechtlichen Garantien, insbesondere das Recht auf Gehör, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts und der Grundsatz der Waffengleichheit. Zu bejahen wäre ein Verstoß gegen den ordre public also nur dann, wenn die Verfahrensrechte einer Partei in unerträglicher Weise beschnitten worden sind. Dafür ist stets das ausländische Verfahren als Ganzes und anhand sämtlicher Umstände zu beurteilen.