OGH: Kollision mit überhöhter Geschwindigkeit fahrendem Kfz im Zuge eines Fahrspurwechsel nach erheblicher Geschwindigkeitsverminderung um auf Pannenstreifen zu gelangen
Die Erstbeklagte wechselte auf einer Autobahn nach einer erheblichen, nicht durch den Verkehr bedingten Geschwindigkeitsverminderung auf den vom Kläger befahrenen rechten Fahrstreifen, um in weiterer Folge auf den Pannenstreifen zuzufahren; selbst wenn der Kläger mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h gefahren wäre, hätte er die Kollision nur durch ein Bremsmanöver verhindern können; dies indiziert, dass die Erstbeklagte den Nachfolgeverkehr nicht ausreichend beobachtet hat; die Ansicht des Berufungsgerichts, der Erstbeklagten sei ein Verstoß gegen § 11 Abs 1 StVO und damit ein erhebliches Verschulden am Unfall vorzuwerfen, entspricht daher der Rechtslage; die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 hält sich infolge der von der Erstbeklagten zu vertretenden Verletzung der erwähnten Schutznorm, die den Unfall ausgelöst hat, auch angesichts der dem Kläger zur Last gelegten Schuldvorwürfe noch im Rahmen des dem Berufungsgericht zur Verfügung stehenden Ermessensspielraums
§§ 1295 ff ABGB, § 11 StVO, § 1304 ABGB
GZ 2 Ob 218/18z, 26.02.2019
OGH: Das Gesetz setzt, insbesondere in Fällen, in denen das Vorhandensein zweier in gleicher Fahrtrichtung führender Fahrstreifen das Nebeneinanderfahren von Fahrzeugen ermöglicht, grundsätzlich voraus, dass jeder Kraftfahrzeuglenker mit dem von ihm gelenkten Fahrzeug auf dem von ihm benützten Fahrstreifen verbleibt und ihn nur dann verlässt, wenn er sich hinreichend davon überzeugt hat, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist. Eine solche Behinderung liegt bereits dann vor, wenn ein nachkommendes Fahrzeug zum Bremsen oder Auslenken genötigt wird. Die Pflicht, sich von der Gefahrlosigkeit des beabsichtigten Fahrstreifenwechsels zu überzeugen, besteht unabhängig davon, ob sich die bei Bedachtnahme auf alle gegebenen Möglichkeiten in Betracht kommenden Verkehrsteilnehmer ihrerseits richtig verhalten oder nicht.
Im vorliegenden Fall wechselte die Erstbeklagte auf einer Autobahn nach einer erheblichen, nicht durch den Verkehr bedingten Geschwindigkeitsverminderung auf den vom Kläger befahrenen rechten Fahrstreifen, um in weiterer Folge auf den Pannenstreifen zuzufahren. Selbst wenn der Kläger mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h gefahren wäre, hätte er die Kollision nur durch ein Bremsmanöver verhindern können. Dies indiziert, dass die Erstbeklagte den Nachfolgeverkehr nicht ausreichend beobachtet hat. Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Erstbeklagten sei ein Verstoß gegen § 11 Abs 1 StVO und damit ein erhebliches Verschulden am Unfall vorzuwerfen, entspricht daher der Rechtslage.
Ob die Verschuldensteilung angemessen ist, ist eine bloße Ermessensentscheidung, bei der im Allgemeinen eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen ist. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 hält sich infolge der von der Erstbeklagten zu vertretenden Verletzung der erwähnten Schutznorm, die den Unfall ausgelöst hat, auch angesichts der dem Kläger zur Last gelegten Schuldvorwürfe noch im Rahmen des dem Berufungsgericht zur Verfügung stehenden Ermessensspielraums.