15.04.2019 Verfahrensrecht

OGH: Zum Verbrauchergerichtsstand des Art 15 LGVÜ

Ein Vertrag, der Schutzwirkungen zugunsten eines Dritten entfaltet, kann zur Annahme einer vertraglichen Beziehung iSd Art 15 Abs 1 LGVÜ in Ansehung dieses Dritten nicht genügen und fällt demnach nicht unter diese Zuständigkeitsbestimmung


Schlagworte: Internationale Zuständigkeit, Verbrauchergerichtsstand, Ansprüche aus einem Vertrag, Verbrauchergerichtsstand, Deliktsgerichtstand, Anlegerverfahren, Züricher Notar, Gold
Gesetze:

 

Art 5 Z 1 EuGVÜ, Art 15 EuGVÜ, Art 16 LGVÜ

 

GZ 5 Ob 240/18g, 20.02.2019

 

OGH: Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, so kann die Klage des Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner nach Art 16 Abs 1 LGVÜ entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des anderen Vertragspartners vor dem Gericht des Orts, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Die Begriffe „Vertrag“ und „Ansprüche aus einem Vertrag“ sind nach der auch für das LGVÜ maßgeblichen Rsp des EuGH gemeinschaftsrechtlich autonom auszulegen. Danach ist unter „Vertrag“ jede von einer Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene Verpflichtung zu verstehen. Zu Verpflichtungen aus dem Vertrag gehören nicht nur die unmittelbaren vertraglichen Pflichten wie Leistungs-, Zahlungs-, Duldungs- und Unterlassungspflichten, sondern auch Verpflichtungen, die an die Stelle einer nicht erfüllten vertraglichen Verbindlichkeit treten (Sekundärverpflichtungen) wie etwa Schadenersatz- und Rückerstattungsansprüche. Der Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ kann aber nicht so verstanden werden, dass er für eine Situation gilt, in der keine von einer Partei gegenüber einer anderen freiwillig eingegangenen Verpflichtung vorliegt, sodass Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht unter diese Zuständigkeitsbestimmung fallen. Ein Vertrag, der nur Schutzwirkungen zugunsten eines Dritten entfaltet, kann zur Annahme einer vertraglichen Beziehung iSd Art 15 EuGVÜ in Ansehung des Dritten schon deshalb nicht genügen, weil Spezialgerichtsstände als Ausnahme zur Allzuständigkeit des Wohnsitzstaats des Beklagten eng auszulegen sind.

 

Der hier beklagte Notar ist durch seine Bestätigung, „dass der Ist-Bestand an Gold im Besitz der Veranlagungsgesellschaft mit dem Soll-Bestand übereinstimmt“, gegenüber dem Kläger keine freiwillige Verpflichtung eingegangen. Auch wenn die Rsp dem Vertrag zwischen dem Abschlussprüfer und der geprüften Gesellschaft Schutzwirkungen zugunsten Dritter zubilligt, ist daraus nicht abzuleiten, es handle sich um einen Vertrag oder Anspruch aus einem Vertrag iSd Art 15 LGVÜ, der den Verbrauchergerichtsstand am Wohnsitz des Klägers begründet.

 

Der Zahlungsfluss ging vorliegend aber vom österreichischen Konto des Klägers aus, auch die Vertragsunterlagen, durch die der Kläger seine ihn letztlich schädigende Verpflichtung einging, unterfertigte er an seinem österreichischen Wohnsitz. Das Konto, auf das der Kläger seine Ansparbeträge überwies, wurde in Österreich geführt. Damit ist der hier der Deliktsgerichtsstand gem Art 5 Z 3 LGVÜ gegeben.