OGH: § 94 ABGB – zum Unterhaltsanspruch eines während aufrechter Ehe in Lebensgemeinschaft Lebenden
Es kann ein Verwirkungstatbestand nach § 94 Abs 2 ABGB vorliegen; dies wäre etwa dann der Fall, wenn der neue Lebenspartner tatsächlich zur Deckung des Unterhalts beitragen würde oder der Zuspruch eines Unterhalts trotz Lebensgemeinschaft aus anderen Gründen grob unbillig iSd § 94 Abs 2 ABGB erschiene, weil etwa gerade diese Lebensgemeinschaft zur Ehezerrüttung führte
§ 94 ABGB
GZ 6 Ob 13/19h, 27.02.2019
OGH: Mit der Frage des Unterhaltsanspruchs eines Ehegatten trotz einer während aufrechter Ehe eingegangenen Lebensgemeinschaft hat sich der OGH in der eingehend begründeten E 1 Ob 56/14p ausführlich auseinandergesetzt. Demnach lässt sich der der neueren Judikatur zum Ruhen des Unterhaltsanspruchs während einer Lebensgemeinschaft zugrundeliegende Gedanke, ein in Lebensgemeinschaft lebender Geschiedener dürfe nicht besser gestellt sein als ein wiederverheirateter, dessen Unterhaltsanspruch nach § 75 EheG – ohne weitere sonstige Voraussetzungen – erlösche, auf die Aufnahme einer Lebensgemeinschaft während (formell) aufrechter Ehe schon deshalb nicht übertragen, weil in diesem Fall dem Unterhaltsberechtigten gar nicht die Möglichkeit einer (von § 75 EheG erfassten) Wiederverheiratung offensteht.
Der erkennende Senat verkennt nicht, dass die Rsp zum Ruhen des Unterhaltsanspruchs in der Literatur teilweise kritisiert wird. Nach diesen Lehrmeinungen gebe es keinen positiv rechtlichen Ansatz für das Ruhen des Unterhaltsanspruchs. Auch die Analogie zu § 75 EheG sei schwer zu ziehen, weil der Unterhaltsanspruch gerade nicht endgültig erlöschen solle.
Im vorliegenden Fall erübrigt sich jedoch ein näheres Eingehen auf die Kritik der Literatur schon deshalb, weil die Übernahme der zitierten Lehrmeinungen zum schon von den Vorinstanzen erzielten Ergebnis führen würde. Der vom Revisionsrekurswerber angestrebte Entfall seiner Unterhaltspflicht lässt sich aus den dargestellten Auffassungen der Literatur gerade nicht ableiten.
Dies bedeutet freilich keineswegs, dass das Eingehen einer Lebensgemeinschaft während aufrechter Ehe unterhaltsrechtlich irrelevant wäre. Vielmehr kann ein Verwirkungstatbestand nach § 94 Abs 2 ABGB vorliegen. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn der neue Lebenspartner tatsächlich zur Deckung des Unterhalts beitragen würde oder der Zuspruch eines Unterhalts trotz Lebensgemeinschaft aus anderen Gründen grob unbillig iSd § 94 Abs 2 ABGB erschiene, weil etwa gerade diese Lebensgemeinschaft zur Ehezerrüttung führte. Diesbezügliche Behauptungen hat der Revisionsrekurswerber im vorliegenden Fall aber nicht erhoben.
Nicht stichhaltig ist auch der im Revisionsrekurs erhobene Einwand, die Irrelevanz der Lebensgemeinschaft sei im vorliegenden Fall deswegen nicht sachgerecht, weil nach der Rsp zu § 69 Abs 2 EheG im Falle einer Scheidung nach § 55 EheG mit Schuldausspruch der während aufrechter Ehe erwirkte Unterhaltstitel weiter wirke, sodass er die möglicherweise dann noch fortdauernde Lebensgemeinschaft nicht mehr aufgreifen könne. Vielmehr ist nach der zitierten Rsp davon auszugehen, dass im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung aufgrund der Bestimmung des § 75 EheG und der dazu ergangenen Rsp zur Gleichbehandlung von Lebensgemeinschaften der Unterhaltsanspruch der sodann geschiedenen Ehefrau jedenfalls, also unabhängig davon, ob diese Lebensgemeinschaft bei Schaffung des Unterhaltstitels bestand oder nicht, erlischt. Der Eintritt der Rechtskraft der Scheidung iVm der zum Wegfall des Unterhaltsanspruchs führenden Lebensgemeinschaft wäre ein neues Sachverhaltselement, das eine Oppositionsklage bzw eine negative Feststellungsklage rechtfertigen würde.