OGH: Hemmung der Verjährung nach § 27 Abs 2 KHVG
Zwar regelt § 27 Abs 1 KHVG, dass die Verjährung des Schadenersatzanspruchs des geschädigten Dritten gegen den Versicherer spätestens zehn Jahre nach dem Schadensereignis endet; allerdings ist diese Frist keine absolute Höchstfrist, sondern unterliegt der Hemmung bzw Unterbrechung, auch der Hemmung nach § 27 Abs 2 KHVG; das zeigt sich schon darin, dass der Gesetzgeber unmittelbar im Anschluss an die Regelung des § 27 Abs 1 KHVG mit Abs 2 leg cit einen weiteren Hemmungsgrund geschaffen hat, der Ansprüche geschädigter Dritter gegenüber Versicherern aus der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung hinsichtlich der Verjährung privilegieren soll
§ 27 KHVG, § 1489 ABGB
GZ 2 Ob 113/18h, 17.12.2018
OGH: Die Verjährung von Schadenersatzansprüchen aus einem Verkehrsunfall kann nicht nur durch Vergleichsgespräche (Ablaufshemmung), sondern daneben auch nach § 27 Abs 2 KHVG gehemmt sein. Nach dieser Bestimmung ist die Verjährung bis zur Zustellung einer schriftlichen Erklärung des Versicherers, dass er den Schadenersatzanspruch ablehnt, gehemmt, wenn der Schadenersatzanspruch des geschädigten Dritten dem Versicherer gemeldet worden ist. Weitere Anmeldungen desselben Schadenersatzanspruchs hemmen die Verjährung jedoch nicht. Die Hemmung oder die Unterbrechung der Verjährung des Schadenersatzanspruchs gegen den ersatzpflichtigen Versicherten bewirkt auch die Hemmung oder die Unterbrechung der noch laufenden Verjährung des Schadenersatzanspruchs gegen den Versicherer und umgekehrt.
§ 27 Abs 2 KHVG normiert eine Fortlaufshemmung der Verjährungsfrist. Nach dem Wegfall des Hemmungsgrundes laufen die bei Eintritt des Hemmungsgrundes noch nicht abgelaufenen Teile der Verjährungszeit weiter, erst dann tritt Verjährung ein. Eine Bezifferung des Anspruchs in der Schadensmeldung des Geschädigten ist nicht Voraussetzung für eine Verjährungshemmung nach § 27 Abs 2 KHVG. Die bloße Schadensmeldung reicht aus, um die Verjährungshemmung herbeizuführen. Letztere muss nicht ausdrücklich geltend gemacht werden. Es genügt, wenn die sie begründenden Tatsachen im Prozess vorgetragen werden oder wenn diese – was hier der Fall ist – unstrittig sind.
Aus dem von der drittbeklagten Partei abgegebenen Verjährungsverzicht ergibt sich zwingend, dass eine Schadensmeldung des Klägers bereits vor dem 18. 4. 2006, somit spätestens rund zwei Jahre und elf Monate nach dem Unfall, erfolgt sein musste. Der Fortlauf der dreijährigen Verjährungsfrist (§ 1489 ABGB) wurde mit Zugang der erstmaligen Schadensmeldung gehemmt. Solange diese Fortlaufshemmung andauerte, konnte auch die dreijährige Frist des § 1480 ABGB ab Fälligkeit der erst künftig entstehenden wiederkehrenden Leistungen, wie es Haushaltshilfekosten sind, nicht zu laufen beginnen.
Die vollständige Zahlung bisheriger bezifferter Forderungen durch den Versicherer ist einer Ablehnung weiterer Zahlungen nicht gleichzuhalten und macht eine schriftliche Ablehnung nicht überflüssig. Schon aus ihrer Verjährungsverzichtserklärung vom 18. 4. 2006 ergibt sich, dass die drittbeklagte Partei mit weiteren Forderungen des Klägers rechnete. Darüber hinaus war auch danach der Ersatz fiktiver Haushaltshilfekosten und die Abfindung dieser Ansprüche für die Zukunft Gegenstand der Korrespondenz zwischen dem Klagevertreter und der drittbeklagten Partei in der ersten Jahreshälfte 2008.
Dass die Verhandlungen über die nunmehr eingeklagten Haushaltshilfekosten „eingeschlafen“ (so die beklagten Parteien) waren, nachdem die drittbeklagte Partei das im April 2008 zugesagte Vergleichsangebot jahrelang schuldig blieb, beendete die Hemmung der Verjährung nicht. Dies könnte nur dann erwogen werden, wenn aus dem Verhalten des Geschädigten offensichtlich der Schluss gezogen werden müsste, er verfolge seine Ansprüche nicht mehr weiter, sodass die Übermittlung einer qualifizierten Ablehnung durch den Versicherer nur mehr unnötiger Formalismus wäre. Die bloße Untätigkeit des Klägers während eines längeren Zeitraums berechtigt aber keineswegs zu dieser Annahme. Auch sonstige Anhaltspunkte lagen dafür nicht vor. Es wäre daher Sache der drittbeklagten Partei gewesen, eine die Verjährungshemmung beseitigende Ablehnungserklärung abzugeben.
Zwar regelt § 27 Abs 1 KHVG, dass die Verjährung des Schadenersatzanspruchs des geschädigten Dritten gegen den Versicherer spätestens zehn Jahre nach dem Schadensereignis endet. Allerdings ist diese Frist – wie die beklagten Parteien in ihrer Revisionsbeantwortung selbst einräumen – keine absolute Höchstfrist, sondern unterliegt der Hemmung bzw Unterbrechung, auch der Hemmung nach § 27 Abs 2 KHVG. Das zeigt sich schon darin, dass der Gesetzgeber unmittelbar im Anschluss an die Regelung des § 27 Abs 1 KHVG mit Abs 2 leg cit einen weiteren Hemmungsgrund geschaffen hat, der Ansprüche geschädigter Dritter gegenüber Versicherern aus der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung hinsichtlich der Verjährung privilegieren soll. Soweit aus anderen Entscheidungen eine gegenteilige Ansicht hervorgehen sollte, wird diese nicht aufrecht erhalten.
Gerade der vorliegende Fall, in dem es jahrelang (bloß) zu verschiedenen Schadenersatzzahlungen, nicht aber zu einer abschließenden Stellungnahme des Versicherers gekommen ist, führt das auch nach Ablauf der zehnjährigen Frist bestehende Interesse des Klägers an der Privilegierung seiner Ansprüche nach § 27 Abs 2 KHVG vor Augen. Der Versicherer wird dadurch auch nicht unbillig belastet, denn er hat es in der Hand, durch eine entsprechende Erklärung die Verjährung wieder in Lauf zu setzen.
Die erstmalige Ablehnung des Ersatzes der hier noch strittigen Kosten der Haushaltshilfe für den Zeitraum 1. 1. 2008 bis 30. 11. 2010 durch die drittbeklagte Partei erfolgte am 5. 12. 2013 per E-Mail, wobei hier dahinstehen kann, ob dies dem Erfordernis der schriftlichen Ablehnung des Versicherers nach § 27 Abs 2 KHVG entsprach. Die dreijährige Verjährungsfrist für diese Kosten konnte daher frühestens mit Erhalt des E-Mails vom 5. 12. 2013 zu Laufen beginnen. Diese Forderung ist demnach nicht verjährt. Der Höhe nach ist das Begehren im Rechtsmittelverfahren nicht mehr strittig.