VwGH: Zum Anspruch auf subsidiären Schutz gem § 8 AsylG 2005 iVm der Statusrichtlinie
Wird durch die Behörde nach entsprechender Prüfung die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Bezug auf ein Gebiet allgemein bejaht, obliegt es dem Asylwerber, besondere Umstände aufzuzeigen, die gegen die Zumutbarkeit sprechen
§ 8 AsylG 2005, Status-RL, Art 3 EMRK
GZ Ra 2018/01/0106, 06.11.2018
VwGH: Aus dem Wortlaut des § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist ableitbar, dass für die Gewährung des subsidiären Schutzes bereits jegliche Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 3 EMRK an sich - unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat - ausreicht.
Nach stRsp des EuGH hat eine Person gemäß Statusrichtlinie Anspruch auf subsidiären Schutz, wenn die tatsächliche Gefahr besteht einen ernsthaften Schaden (iSd Art 15 der Statusrichtlinie) zu erleiden. Dies ist nur dann der Fall, wenn die reale Gefahr eines ernsthaften Schadens entweder vom Verhalten eines Akteurs (iSd Art 6 der Statusrichtlinie) oder von ernsthaften individuellen Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt (iSd Art 15 lit c der Statusrichtlinie) ausgeht. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführender Verletzung von Art 3 EMRK. Sofern eine Drittstaatsangehörige oder ein Drittstaatsangehöriger aus solchen unabhängig von einem Akteur oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt ausgehenden realen Gefahr eines ernsthaften Schadens vorliegenden Gründen nach Art 3 EMRK nicht abgeschoben werden kann, besteht kein Anspruch auf subsidiären Schutz iSd Statusrichtlinie. Insofern hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben der Statusrichtlinie zur Gewährung des Status des subsidiären Schutzberechtigten entgegen der Rsp des EuGH zur Auslegung der Bestimmung des Art 15 lit b iVm Art 3 der Statusrichtlinie umgesetzt.
Die Frage, ob § 8 Abs 1 AsylG 2005 iSd aufgezeigten Grundsätze einer unionsrechtlichen Auslegung entsprechend der dargelegten Rsp des EuGH zu Art 15 der Statusrichtlinie auszulegen ist, muss im vorliegenden Fall dahin stehen. Für die Rechtmäßigkeit der Abweisung eines Antrages auf internationalen Schutz reicht es aus, wenn die Hilfsbegründung des angefochtenen Erkenntnisses, es liege eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative vor, wie im vorliegenden Fall das Ergebnis der Entscheidung tragen kann. Die Überlegungen des BVwG zu den in Afghanistan behandelbaren, die Arbeitsfähigkeit sowie die Teilnahme am Erwerbsleben nicht ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Revisionswerbers im Hinblick auf die zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative erweisen sich als nicht rechtswidrig. Wird durch die Behörde nach entsprechender Prüfung die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Bezug auf ein Gebiet allgemein bejaht, obliegt es dem Asylwerber, besondere Umstände aufzuzeigen, die gegen die Zumutbarkeit sprechen.