04.02.2019 Zivilrecht

OGH: Miteigentum iZm Kündigung / Übergabsauftrag

Dem von Teilen der Rsp aufgestellten Erfordernis der Mitwirkung sämtlicher Miteigentümer an der Kündigung schließt sich der erkennende Senat auch für Fälle eines Übergabsauftrags nicht an; es ist an der Rsp festzuhalten, wonach die Mehrheit allein aktiv legitimiert ist; die dabei entwickelten Grundsätze beruhen im Kern darauf, dass der Mehrheit Verwalterstellung zukommt; dieser Grundsatz trifft auch auf den benützungsgeregelten Hälfteeigentümer zu; vereinzelten gegenteiligen Entscheidungen folgt der Senat nicht


Schlagworte: Miteigentumsrecht, Kündigung, Übergabsauftrag, Aktivlegitimation, Mehrheit, sämtliche Miteigentümer
Gesetze:

 

§§ 825 ff ABGB, § 567 ZPO, § 571 ZPO, § 833 ABGB, § 1116 ABGB, § 1090 ABGB

 

GZ 4 Ob 100/18m, 27.11.2018

 

OGH: Der Übergabsauftrag erfüllt – beim Bestandvertrag auf bestimmte Dauer – verfahrensrechtlich die gleiche Funktion wie die gerichtliche Kündigung. Daraus ergibt sich die Relevanz der Rsp zur gerichtlichen Kündigung für die hier zu lösenden Rechtsfragen.

 

Nach stRsp genügt es im Fall der Kündigung eines Bestandvertrags durch einen Miteigentümer der Liegenschaft, dem nicht die Mehrheit der Anteile gehört, wenn er im Zuge des Kündigungsverfahrens die Zustimmung solcher Miteigentümer nachweist, denen mit ihm zusammen die Mehrheit der Anteile gehört. Dieses Einverständnis muss nicht schon zugleich mit der Kündigung nachgewiesen werden. Im Fall des Nachweises des Einverständnisses der Mehrheit ist der Minderheitseigentümer zur Aufkündigung im eigenen Namen legitimiert. Die Entscheidung 5 Ob 44/98a spricht von einer Rechtstradition, dass ein von den Miteigentümern eines Hauses mit einem außenstehenden Dritten abgeschlossener Mietvertrag von der Mehrheit der Miteigentümer im eigenen Namen gekündigt werden kann.

 

Der 6. Senat hielt in seiner Entscheidung 6 Ob 52/97h zur Aktivlegitimation einer Minderheitseigentümerin mit alleinigem Nutzungsrecht an einer bestimmten Wohnung fest, dass der zum Gebrauch bestimmter Räumlichkeiten der gemeinsamen Liegenschaft berechtigte Miteigentümer zum Abschluss eines Bestandvertrags im Namen aller Miteigentümer gleich einem Verwalter legitimiert sei. Er handle, auch wenn er dies nicht zum Ausdruck bringe, im Zweifel als Vertreter sämtlicher Miteigentümer. Er könne nur dann alleine kündigen, wenn weitere Miteigentümer, die mit ihm zusammen eine Mehrheit bilden, mit der Kündigung einverstanden seien. Wenn ihm durch Benützungsregelung der physische Besitz eines Teils der Liegenschaft allein überlassen worden sei, sei er aufgrund der darin gelegenen Verwaltungsvollmacht zur Vermietung dieses Teils berechtigt, sowie auch dazu, das von ihm eingegangene Mietverhältnis ohne Zustimmung der anderen Miteigentümer aufzukündigen. Dies ändere aber nichts daran, dass als Partei des Kündigungsstreits nicht der Minderheitseigentümer allein, sondern alle Miteigentümer als Bestandgeber anzusehen seien, als deren Vertreter bzw Verwalter der Nutzungsberechtigte auftrete. Die rechtsgestaltende Wirkung der Aufkündigung erstrecke sich auch auf sie als einheitliche Streitpartei. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit einer Richtigstellung der Bezeichnung der klagenden Partei.

 

In der Entscheidung 6 Ob 178/98i ist der 6. Senat im Fall der Klage des Mehrheitseigentümers vom Erfordernis des Auftretens im Namen der Gesamtheit wieder abgegangen.

 

Auch der 8. Senat lehnte in der Entscheidung 8 Ob 349/99b das Erfordernis des Auftretens im Namen sämtlicher Miteigentümer für den Fall der Kündigung durch den Mehrheitseigentümer ab.

 

Da die Kündigung (bzw Auflösung) eines Bestandvertrags in den Rahmen der ordentlichen Verwaltung des Miteigentumsrechts fällt, bejaht die Rsp grundsätzlich die Aktivlegitimation der Mehrheit der Miteigentümer.

 

Diese ergibt sich schon aus der der Mehrheit zustehenden „gesetzlichen“ Verwalterstellung. Nach stRsp handelt der Mehrheitseigentümer im Zweifel auch ohne Offenlegung im Namen aller Miteigentümer (eine gegenteilige Vereinbarung ist zwar möglich, aber im Zweifel nicht anzunehmen).

 

Eine vergleichbare Rechtsposition besitzt aber auch ein Minderheitseigentümer (oder [wie hier] Hälfteeigentümer), dem durch Benützungsvereinbarung ein bestimmter Liegenschaftsteil zur alleinigen Benützung und Verfügung überlassenen worden ist. Auch in diesem Fall ist daher von einer – zumindest implizit eingeräumten – Verwaltungsvollmacht auszugehen, zumal die anlässlich der vertraglichen Benützungsregelung dem Miteigentümer eingeräumte unbeschränkte Verfügungsmacht über den zur Benützung überlassenen Teil einer auch zur Vermietung mit Wirkung für die Gesamtheit der Liegenschaftseigentümer berechtigenden Verwaltungsvollmacht gleichzuhalten ist.

 

Dem von Teilen der Rsp aufgestellten Erfordernis der Mitwirkung sämtlicher Miteigentümer an der Kündigung (vgl 8 Ob 131/02a, wonach ein schlichter Miteigentümer lediglich im Namen aller Miteigentümer kündigen oder auf Räumung klagen könne; vgl auch 2 Ob 109/14i) schließt sich der erkennende Senat auch für Fälle eines Übergabsauftrags nicht an.