OGH: Unzulässigkeit des Rechtswegs iZm Frage, ob eine Abgabenforderung als Insolvenzforderung zu qualifizieren ist?
Der Streit über die Frage, ob eine Abgabenforderung als (allenfalls bedingte oder betagte) Insolvenzforderung zu qualifizieren ist, ist einem Rangstreit iSv § 110 Abs 3 IO gleichzuhalten und gehört daher auf den Rechtsweg
§§ 102 ff IO, § 110 IO, § 224 BAO, § 16 IO, § 14 IO
GZ 2 Ob 182/18f, 29.11.2018
OGH: Nach § 110 Abs 3 IO sind Streitigkeiten über die Richtigkeit einer öffentlich-rechtlichen Forderung von der zuständigen Verwaltungsbehörde, solche über deren Rang aber vom Insolvenzgericht zu entscheiden. Den Rangstreitigkeiten sind dabei Streitigkeiten über die „Forderungsart“ gleichzuhalten. Das entspricht der Rechtslage außerhalb des Prüfungsverfahrens: Auch bei Vorliegen eines gegen den Insolvenzverwalter ergangenen Bescheids hat das Insolvenzgericht zu entscheiden, ob eine nach diesem Bescheid vollstreckbare Forderung eine Masse- oder doch nur eine Insolvenzforderung ist. Die Beurteilung dieser Frage durch die Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte bindet das Insolvenzgericht daher nicht. Nichts anderes kann gelten, wenn die Qualifikation einer Forderung im Prüfungsverfahren nach den §§ 102 ff IO strittig ist.
Der Rechtsweg ist daher nur bei Streitigkeiten über die Richtigkeit einer öffentlich-rechtlichen Insolvenzforderung ausgeschlossen. Ob eine solche Streitigkeit vorliegt, ist – wie auch sonst bei der Prüfung der Rechtswegzulässigkeit – aufgrund der Klagebehauptungen zu beurteilen; dabei ist nach allgemeinen Grundsätzen nicht allein der Wortlaut des Begehrens, sondern auch die Natur (das Wesen) des geltend gemachten Anspruchs maßgebend. Entscheidend ist nicht, worauf sich der Kläger formal stützt, sondern ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird oder nicht.
Auf dieser Grundlage trifft die angefochtene Entscheidung in Bezug auf das Hauptbegehren zu. Denn damit macht der Kläger – wenngleich ohne schlüssige Begründung in der Klagserzählung – das Erlöschen der angemeldeten Forderungen geltend. Dabei handelt es sich ohne Zweifel um ein Bestreiten der Richtigkeit der Forderung. Ebenso wie ein entsprechender Einwand in der Einzelexekution (§ 35 Abs 2 Satz 5 EO) gehört diese Frage daher nicht auf den Rechtsweg. Eine Umdeutung des Begehrens iSd möglicherweise Gewollten kommt nicht in Betracht, da die Beklagte auf die Unschlüssigkeit hingewiesen und der Kläger darauf (nur) mit dem Formulieren eines Eventualbegehrens reagiert hat. In Bezug auf das Hauptbegehren ist der angefochtene Beschluss daher zu bestätigen.
Anders verhält es sich beim Eventualbegehren auf Feststellung, dass die angemeldete Forderung keine Insolvenzforderung sei.
Schon der Wortlaut dieses Begehrens („keine Insolvenzforderungen“) zielt auf eine Entscheidung über die Forderungsart. Dies wird auch durch das Klagevorbringen gestützt: Der Kläger macht geltend, dass die angemeldeten Forderungen keine Insolvenzforderungen seien, weil die Abgabenbehörde den Haftungsbescheid (§ 224 BAO) nicht vor der Insolvenzeröffnung erlassen habe. In der Sache ist damit ausschließlich strittig, ob Insolvenzforderungen vorliegen, ob die Beklagte also zur Zeit der Insolvenzeröffnung (§ 51 Abs 1 IO) über einen – allenfalls mit Erlassung des Haftungsbescheids aufschiebend bedingten (§ 16 IO) oder durch Insolvenzeröffnung fällig werdenden (§ 14 Abs 2 IO) – vermögensrechtlichen Anspruch gegen den Schuldner verfügte oder nicht. Die Frage, welche Folgen eine Verneinung dieser Frage hätte, ist im Verfahren nach den §§ 102 ff IO nicht zu prüfen.
In diesem Zusammenhang ist zwar vorfrageweise zu beurteilen, ob eine Lohnsteuerforderung gegen den Arbeitgeber tatsächlich erst mit Erlassen des Haftungsbescheids nach § 224 BAO entsteht. Selbst wenn man das aber – wie zuletzt in 3 Ob 155/16i – bejahen sollte, folgte daraus noch nicht, dass hier nicht doch betagte oder (wohl eher) mit der Erlassung des jeweiligen Haftungsbescheids aufschiebend bedingte Insolvenzforderungen vorliegen könnten. Dabei handelt es sich um eine genuin insolvenzrechtliche Frage, die als Streit über die Forderungsart auf den Rechtsweg gehört.