16.01.2019 Zivilrecht

OGH: Liegenschaftsverkauf und eigentumsrechtlicher Grenzverlauf

Beim Verkauf eines Grundstücks wird das Vertrauen auf die Darstellung der Grenze in der Grundbuchsmappe nicht geschützt; für den Umfang des Eigentumserwerbs an nicht im Grenzkataster eingetragenen Grundstücken ist nicht die Grundbuchsmappe entscheidend, sondern der im Inhalt des Kaufvertrags Ausdruck findende Wille der Parteien; Eigentum wird nur am wirklich gewollten Gegenstand erworben


Schlagworte: Liegenschaftsverkauf, eigentumsrechtlicher Grenzverlauf, Grenzkataster, Miteigentümer, einheitliche Streitpartei
Gesetze:

 

§ 851 ABGB, § 850 ABGB, § 431 ABGB, § 914 ABGB, § 14 ZPO

 

GZ 5 Ob 57/18w, 03.10.2018

 

OGH: Bei der Feststellung eines Grenzverlaufs und der daraus abgeleiteten Verpflichtung zur Zustimmung zur Vermarkung folgt aus der Natur des Anspruchs, dass dieser gegen alle Miteigentümer der angrenzenden Liegenschaft zu erheben ist und zwangsläufig eine einheitliche Entscheidung ergehen muss. Die Vorinstanzen gingen daher zu Recht davon aus, dass die Beklagten eine einheitliche Streitpartei iSd § 14 ZPO bilden.

 

Nach stRsp bestimmt sich der eigentumsrechtliche Grenzverlauf eines nicht in den Grenzkataster eingetragenen Grundstücks grundsätzlich nach den Naturgrenzen. Maßgeblich ist der in der Natur festzustellende Verlauf. Die Frage, wo die natürliche Grenze verläuft, ist eine Frage der Würdigung aller Beweise einschließlich der Kataster- und der Grundbuchsmappe sowie eine Frage der Feststellung von Tatsachen. Der Mappendarstellung kommt – außer im hier nicht vorliegenden Fall, dass die strittige Grenze im Grenzkataster eingetragen ist – also nicht die Bedeutung einer bücherlichen Eintragung zu, sondern sie ist nur dazu bestimmt, die Lage der Liegenschaften zu veranschaulichen. Die Grundbuchsmappe macht keinen Beweis über die Größe und die Grenzen einer Liegenschaft. Sie ist nur ein Beweismittel wie jedes andere, dessen Beweiskraft der Richter nach freier Überzeugung zu beurteilen hat.

 

Beim Verkauf eines Grundstücks wird daher das Vertrauen auf die Darstellung der Grenze in der Grundbuchsmappe nicht geschützt. Für den Umfang des Eigentumserwerbs an nicht im Grenzkataster eingetragenen Grundstücken ist nicht die Grundbuchsmappe entscheidend, sondern der im Inhalt des Kaufvertrags Ausdruck findende Wille der Parteien. Eigentum wird nur am wirklich gewollten Gegenstand erworben.

 

Das Berufungsgericht hat diese Rsp des OGH dargestellt und auf den vorliegenden Einzelfall angewandt. Nach den getroffenen Feststellungen richtete sich der für den Umfang des Eigentumserwerbs maßgebliche Parteiwille bei jedem Erwerbsvorgang jeweils auf die durch den Zaun gebildete „Naturgrenze“. Für den Umfang der Eigentumsübertragung ist daher hier dieser in der Natur ersichtliche Grenzverlauf – und nicht die „Papiergrenze“ – maßgebend. An der Maßgeblichkeit dieser von der Rsp entwickelten Grundsätze ändert auch die den Erwerbsvorgängen vorangegangene Liegenschaftsteilung nichts. So hat der OGH etwa die Möglichkeit der Festlegung einer verbindlichen Grenze durch den Eigentümer zweier benachbarter Liegenschaften im Zuge der Teilung eines der Grundstücke bereits implizit bejaht.