16.01.2019 Zivilrecht

OGH: Angemessener Mietzins iSd § 16 Abs 1 MRG

Die Rechtsauffassung, bei der Angemessenheitsprüfung nach § 16 Abs 1 MRG sei auf den real angemieteten Mietgegenstand abzustellen, eine fiktiv denkbare andere Ausgestaltung des Bestandobjekts sei hingegen nicht zu berücksichtigen, kann sich auf den unmissverständlichen Gesetzeswortlaut des § 16 Abs 1 MRG stützen, der auf Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand des Mietgegenstands bei Abschluss des Mietvertrags abstellt, und ist daher jedenfalls vertretbar; dass bei der Wertermittlung zwar grundsätzlich objektive Gesichtspunkte maßgeblich sind, der individuelle konkrete Vertragszweck – insbesondere die Unterscheidung zwischen Wohn- und Geschäftszweck – aber sehr wohl zu berücksichtigen ist, vertritt nicht nur die Lehre, sondern auch die Judikatur; ob im Zuge einer Teilung des Bestandobjekts und Verwendung des Hoftrakts als Wohnung insgesamt allenfalls ein höherer angemessener Zins erzielt hätte werde können, spielt nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung der Vorinstanzen daher keine rechtlich relevante Rolle


Schlagworte: Mietrecht, angemessener Mietzins, Ermittlung des marktüblichen Mietzinses
Gesetze:

 

§ 16 MRG, § 273 ZPO, § 12a MRG

 

GZ 5 Ob 178/18i, 06.11.2018

 

OGH: Die Beurteilung der Angemessenheit des Mietzinses ist zwar grundsätzlich Rechtsfrage, die vom Richter – und nicht vom Sachverständigen – zu lösen ist. Die Ermittlung des marktüblichen Mietzinses – als Orientierungshilfe für die Angemessenheitsprüfung – gehört hingegen zur Tatfrage, zu deren Lösung der Richter auf die Hilfe eines Sachverständigen zurückgreifen kann. Dessen Bewertungsergebnisse und die Aufgabenadäquanz der von ihm gewählten Methode sind vom Gericht zu würdigen. Die Vergleichswertmethode dient als Orientierungshilfe für die Angemessenheitsprüfung. Methodenwahl und Auf- und Abwertungsmodus für Vergleichsobjekte entziehen sich als Tatfragen der Überprüfung durch den OGH. Letztlich hat der Richter gem § 273 ZPO nach freier Überzeugung den im konkreten Fall „angemessenen“ Mietzins zu bestimmen.

 

Eine vom MRG vorgegebene Methode zur Ermittlung der Angemessenheit des Hauptmietzinses iSd § 12a Abs 2 und § 16 Abs 1 MRG gibt es nicht. Das Gesetz definiert die Höhe des angemessenen Hauptmietzinses nicht, nennt aber die heranzuziehenden wertbestimmenden Faktoren, die daher stets nur im Einzelfall anhand der im Gesetz bezeichneten Komponenten beurteilt werden können. Dies hat nach kritischer Ermittlung des für vergleichbare Mietgegenstände nach Art, Größe und Lage üblichen Mietzinses durch entsprechende Aufschläge oder Abschläge zu geschehen, die der Beschaffenheit, dem Ausstattungszustand und dem Erhaltungszustand des Objekts gebührend Rechnung tragen. Die Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zwar im Rahmen der Ermittlung des angemessenen Hauptmietzins nach § 12a Abs 2 und 3 bzw § 46a Abs 2 und 3 MRG zu berücksichtigen, wobei auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Mietzinserhöhung abzustellen ist, nicht hingegen bei der Angemessenheitsprüfung nach § 16 Abs 1 MRG ohne einen derartigen Veräußerungsvorgang. Grundsätzlich hängt die rechtliche Beurteilung des nach § 16 Abs 1 MRG zulässig zu vereinbarenden Hauptmietzinses von den Umständen des Einzelfalls ab, was die Möglichkeit einer Anrufung des OGH auf die Geltendmachung grober Beurteilungsfehler einengt. Ein derartiger Beurteilungsfehler ist nicht zu erkennen:

 

Im Gegensatz zu der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung gingen auch die Vorinstanzen nicht davon aus, der Gegenstand des im Geschäftslokal betriebenen Unternehmens bilde in rechtlicher Hinsicht eine für die Ermittlung des angemessenen Mietzinses maßgebende eigene Komponente. Bei der Feststellung des angemessenen Hauptmietzinses im Verfahren nach § 16 Abs 9 MRG kam es nicht etwa zu einem Abschlag von dem anhand von Vergleichsobjekten ermittelten marktüblichen Hauptmietzins aufgrund des von der Antragstellerin dort betriebenen Unternehmens. Das Erstgericht schloss sich vielmehr der vom Sachverständigen angewendeten Methode (Auswahl von insgesamt vier Vergleichsobjekten im Nahebereich des Bestandobjekts, die durchaus unterschiedliche Branchen – Küchenstudio, Dienstleistung, Büro, Bankfiliale – betrafen und einen marktüblichen Hauptmietzins von 8 EUR pro Quadratmeter Nutzfläche für Verkaufsflächen ergaben, sowie Faktorenmethode im Hinblick auf die objektiv unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten der verschiedenen Räumlichkeiten) an und stellte deshalb – und nicht etwa, weil die Antragstellerin dort eine Apotheke betreibt – zum Stichtag 1. 3. 2015 einen angemessenen monatlichen Hauptmietzins von 1.090 EUR netto fest. Methodenwahl und Auswahl der Vergleichsobjekte – die als Tatsachenfragen der Beurteilung des OGH ohnedies entzogen sind – beanstandeten die Antragsgegner im Rekursverfahren gar nicht; ihre Rüge bezog sich darauf, dass das Erstgericht Fragen an den Sachverständigen zur Höhe des angemessenen Hauptmietzinses bei bestmöglicher Verwertung des Bestandobjekts (etwa als Gastronomiebetrieb mit Gartennutzung oder Umbau der hinteren Räume des Geschäftslokals zur Wohnung) nicht zugelassen habe. Diese – an sich den Rekursgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens begründende – Argumentation hat das Rekursgericht aber verworfen und damit im Ergebnis den Verfahrensmangel verneint. Auch im (wohnrechtlichen) Außerstreitverfahren ist aber ein in zweiter Instanz verneinter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens in dritter Instanz nicht mehr anfechtbar.

 

Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, bei der Angemessenheitsprüfung nach § 16 Abs 1 MRG sei auf den real angemieteten Mietgegenstand abzustellen, eine fiktiv denkbare andere Ausgestaltung des Bestandobjekts sei hingegen nicht zu berücksichtigen, kann sich auf den unmissverständlichen Gesetzeswortlaut des § 16 Abs 1 MRG stützen, der auf Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand des Mietgegenstands bei Abschluss des Mietvertrags abstellt, und ist daher jedenfalls vertretbar. Selbst die Judikatur zu § 12a Abs 7 MRG schließt es aus, einen Mietgegenstand in einer anderen als der derzeit gegebenen Ausgestaltung bei der Mietzinsbestimmung zu berücksichtigen, weil sonst ein anderer als der tatsächlich gegebene (= reale) Mietgegenstand der Beurteilung zugrunde gelegt würde. Dass bei der Wertermittlung zwar grundsätzlich objektive Gesichtspunkte maßgeblich sind, der individuelle konkrete Vertragszweck – insbesondere die Unterscheidung zwischen Wohn- und Geschäftszweck – aber sehr wohl zu berücksichtigen ist, vertritt nicht nur die Lehre, sondern auch die Judikatur. Ob im Zuge einer Teilung des Bestandobjekts und Verwendung des Hoftrakts als Wohnung insgesamt allenfalls ein höherer angemessener Zins erzielt hätte werde können, spielt nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung der Vorinstanzen daher keine rechtlich relevante Rolle. Dass die Vorinstanzen die zu § 12 Abs 3 MRG idF vor Inkrafttreten des dritten WÄG ergangene Entscheidung 5 Ob 9/92, die im Übrigen einen ganz speziellen Sachverhalt betraf, als nicht einschlägig erachteten, ist vertretbar; von welcher sonstigen höchstgerichtlichen Rsp das Rekursgericht abgewichen sein soll, führt der Revisionsrekurs nicht näher aus.

 

Auch dass die Vorinstanzen im Rahmen der Ermittlung des angemessenen Hauptmietzinses nicht auf die fiktive Möglichkeit der Vermietung an einen Gastronomiebetrieb (und den dann allenfalls höheren erzielbaren Mietzins für die Gartenfläche) Bedacht nahmen, hält sich im Hinblick auf die mangelnde Auswirkung der Branche des Bestandnehmers auf die Bildung des angemessenen Hauptmietzinses jedenfalls im Rahmen des ihnen diesbezüglich eingeräumten Ermessens und bedarf keiner Korrektur durch den OGH.