OGH: Interessenabwägung iZm Änderungen iSd § 16 WEG 2002?
Eine Abwägung der Interessen des die Änderung beabsichtigenden Wohnungseigentümers gegen die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer an der Unterlassung der Änderung ist nicht vorzunehmen; der Umstand, dass die Antragsteller wegen der Inanspruchnahme allgemeiner Teile ein eigenes wichtiges Interesse an der geplanten Änderung darzulegen haben, bedeutet daher nicht, dass gegenläufige Interessen der Antragsgegner zumindest gleiches Gewicht haben müssten; schon die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Miteigentümer allein steht vielmehr nach § 16 Abs 2 Z 1 WEG 2002 der geplanten Änderung entgegen; der von den Revisionsrekurswerbern vermissten Interessensabwägung bedurfte es daher nicht
§ 16 WEG 2002
GZ 5 Ob 186/18s, 06.11.2018
OGH: Die Zulässigkeit einer Änderung eines Wohnungseigentumsobjekts iSd § 16 Abs 2 Z 1 und 2 WEG 2002 lässt sich nicht grundsätzlich bejahen oder verneinen. Es kommt dabei vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind. Dabei ist den Vorinstanzen ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt.
Gem § 16 Abs 2 Z 1 WEG 2002 darf jegliche Änderung weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, besonders auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses und keine Gefahr für die Sicherheit von Personen des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben. Zusätzlich verlangt § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 für den Fall, dass für eine Änderung – wie hier – auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen werden, sie entweder der Übung des Verkehrs entspricht oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen muss. Eine Abwägung der Interessen des die Änderung beabsichtigenden Wohnungseigentümers gegen die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer an der Unterlassung der Änderung ist aber nicht vorzunehmen. Der Umstand, dass die Antragsteller wegen der Inanspruchnahme allgemeiner Teile ein eigenes wichtiges Interesse an der geplanten Änderung darzulegen haben, bedeutet daher nicht, dass gegenläufige Interessen der Antragsgegner zumindest gleiches Gewicht haben müssten. Schon die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Miteigentümer allein steht vielmehr nach § 16 Abs 2 Z 1 WEG 2002 der geplanten Änderung entgegen. Der von den Revisionsrekurswerbern vermissten Interessensabwägung bedurfte es daher nicht.
Die in § 16 Abs 2 Z 1 WEG 2002 ausdrücklich genannte Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses ist ein spezifischer Fall der Interessensbeeinträchtigung. Grundsätzlich steht einer Änderung nicht jede Beeinträchtigung von Interessen der Miteigentümer entgegen, sondern nur eine wesentliche Beeinträchtigung, die die Interessen der anderen Wohnungseigentümer am Unterbleiben der Änderung so schutzwürdig erscheinen lässt, dass ein Anspruch des Wohnungseigentümers auf Änderung zurückzustehen hat. Als Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses ist nicht jede (wertneutrale) Veränderung zu verstehen, sondern nur eine solche, die eine Verschlechterung des Erscheinungsbildes bewirkt. Die Judikatur berücksichtigt dabei etwa, ob die bisherige Gestaltung des Gebäudes einem bestimmten architektonischen Konzept folgt oder es sich um ein äußerlich einfallsloses Bauwerk handelt, und stellt für die Beurteilung der Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes primär auf die straßenseitige Ansicht der Liegenschaft ab. Auch die Einheitlichkeit des äußeren Erscheinungsbildes per se kann einen schutzwürdigen Wert darstellen (Loggiaverbauung: LGZ Wien MietSlg 40.641; Vergrößerung von Windfängen auf einer Dachterrasse: 5 Ob 36/90 MietSlg 42.435; Errichtung eines Balkonturms an der straßenabgewandten Hausfront 5 Ob 9/17k). Bei der Beurteilung der Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses kommt dem Rechtsanwender wegen des dabei gebrauchten unbestimmten Gesetzesbegriffs ein gewisser Ermessensspielraum zu. Abgesehen davon, dass es sich dabei ohnedies um eine Rechtsfrage handelt, haben die Antragsteller die Unterlassung der Einholung eines architektonischen Sachverständigengutachtens in ihrem Rekurs nicht gerügt; dies können sie im Revisionsrekurs nicht nachholen.
Die Auffassung des Rekursgerichts, der Vergleich des im Baujahr 1937 eingereichten Plans der Straßenfassade mit demjenigen nach Errichtung des geplanten Liftturms lasse eine wesentlichen Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses erkennen, ist jedenfalls vertretbar. Die Fassadengliederung – die unter Einbeziehung der das Stiegenhaus belichtenden Fenster bewusst regelmäßig erfolgte – würde durch den aus der Fassade deutlich herausragenden Betonteil gebrochen. Die straßenseitige Hausfront würde sich dann deutlich von der des zur gleichen Zeit errichteten Nachbarhauses unterscheiden. Außerdem gibt die ob der Liegenschaft einverleibte Cottage-Servitut eine bestimmte architektonische Gestaltung der Häuser in diesem Viertel ausdrücklich vor, zumal sie die Verbauung in villenartigem Stil nicht höher als zwei Stock hoch anordnet und zwar derart, dass ein mindestens 4 m breiter Vorgarten unverbaut liegen bleibt. Dass die Errichtung des Liftturms in der geplanten Form gegen diese Cottage-Servitut verstößt, wird im Revisionsrekurs ebensowenig in Zweifel gezogen wie die Gefahr, dass Eigentümer von Nachbarliegenschaften oder der Cottage-Verein selbst rechtliche Schritte gegen Wohnungseigentümer einleiten könnten, was ebenso als Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen iSd § 16 Abs 2 Z 1 WEG 2002 zu werten wäre. Auf die vom Rekursgericht zutreffend hervorgehobene E 5 Ob 9/17k gehen die Revisionsrekurswerber nicht ein; dort wurde die Errichtung eines nur in einem von vier, einem einheitlichen architektonischen Konzept folgenden Häusern geplanten, asymmetrisch zu errichtenden Balkonturm, der einen auffallenden Fremdkörper vor dem Haus gebildet hätte, die Genehmigung ungeachtet dessen versagt, dass es sich nicht einmal um die Straßenfront handelte. Warum die Grundsätze dieser Entscheidung auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht anwendbar wären, versuchen die Revisionsrekurswerber nicht einmal darzulegen.