VwGH: Aussetzung der Einhebung gem § 212a BAO – zur Frage, ob ein gegen die Zurückweisung eines gem § 295 Abs 4 BAO gestellten Antrags auf Bescheidaufhebung geführtes Beschwerdeverfahren eine mittelbare Abhängigkeit einer Abgabenhöhe von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde iSd § 212a BAO begründet
Wird ein auf § 295 Abs 4 BAO gestützter Antrag vom Finanzamt abgewiesen und vom Abgabepflichtigen dagegen Beschwerde erhoben, hängt die Einhebung der im Falle einer stattgebenden Erledigung in Wegfall kommenden Abgabenschuld mittelbar von der Erledigung der gegen den Abweisungsbescheid gerichteten Bescheidbeschwerde ab; nichts anderes kann für den Fall gelten, dass ein auf § 295 Abs 4 BAO gestützter Antrag vom Finanzamt zurückgewiesen wird; das BFG hat damit die Rechtslage verkannt, wenn es den Aussetzungsantrag abgewiesen hat, weil die Höhe der Einkommensteuer 1999 und 2000 selbst im Falle einer dem Begehren des Revisionswerbers Rechnung tragenden Erledigung nicht iSd § 212a BAO von der Erledigung der Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid im Verfahren nach § 295 Abs 4 BAO abhängig sei
§ 212a BAO, § 295 BAO
GZ Ra 2016/13/0044, 25.07.2018
Der Revisionswerber hat mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2013 gegen die Zurückweisung seines auf § 295 Abs 4 BAO gestützten Antrages auf Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 berufen und gleichzeitig die Aussetzung der Einhebung von Einkommensteuer 1999 und 2000 sowie von Anspruchs- und Aussetzungszinsen gem § 212a BAO beantragt. Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung gem § 212a BAO wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom 5. März 2015 abgewiesen.
Die gegen den Abweisungsbescheid gerichtete Beschwerde wies das BFG mit der Begründung ab, dass Sache des Beschwerdeverfahrens, auf das der Revisionswerber seinen Antrag auf Aussetzung der Einhebung gem § 212a BAO stütze, ein Zurückweisungsbescheid (betreffend den Antrag gem § 295 Abs 4 BAO vom 25. Juli 2013) sei. Gegenstand der Beschwerdeentscheidung sei somit nur die Frage, ob das Finanzamt dem Revisionswerber zu Recht eine Sachentscheidung verweigert habe. Selbst im Falle einer dem Begehren des Revisionswerbers Rechnung tragenden Erledigung hänge die Höhe der Einkommensteuer 1999 und 2000 nicht von der Erledigung der Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid ab, weil sie weder von Amts wegen noch auf Antrag des Abgabepflichtigen zwingend herabzusetzen oder deren Festsetzung überhaupt aufzuheben sei. Es sei lediglich über den Antrag auf Bescheidaufhebung gem § 295 Abs 4 BAO meritorisch zu entscheiden.
VwGH: Um dem rechtsstaatlichen Prinzip gerecht zu werden, müssen Rechtsschutzeinrichtungen ein bestimmtes Maß an faktischer Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen. Nach der Rsp des VfGH darf ein Revisionswerber nicht einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung solange belastet sein, bis seine Beschwerde endgültig erledigt ist. Vor diesem Hintergrund ging der VwGH im Erkenntnis vom 17. Dezember 1998, 97/15/0085, davon aus, dass § 212a BAO die Aussetzung der Einhebung des Streitgegenstandes des Hauptverfahrens (Berufung gegen den Abgabenbescheid) auch für die Zeit ermöglicht, während der in einem Nebenverfahren geprüft wird, ob die Voraussetzungen einer Berufung vorliegen.
Auf Nichtbescheide gestützte Änderungsbescheide sind gem § 295 Abs 4 BAO auf Antrag der Partei aufzuheben. Der Antrag ist ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten iSd § 85 Abs 1 BAO und unterliegt der Entscheidungspflicht. Die Aufhebung eines Änderungsbescheides gem § 295 Abs 4 BAO liegt nicht im Ermessen der Abgabenbehörde und kann - wie im Revisionsfall - zu einer Herabsetzung, aber auch zu einem gänzlichen Wegfall einer Abgabenschuld führen. Wird ein auf § 295 Abs 4 BAO gestützter Antrag vom Finanzamt abgewiesen und vom Abgabepflichtigen dagegen Beschwerde erhoben, hängt die Einhebung der im Falle einer stattgebenden Erledigung in Wegfall kommenden Abgabenschuld mittelbar von der Erledigung der gegen den Abweisungsbescheid gerichteten Bescheidbeschwerde ab. Nichts anderes kann für den Fall gelten, dass ein auf § 295 Abs 4 BAO gestützter Antrag vom Finanzamt zurückgewiesen wird.
Das BFG hat damit die Rechtslage verkannt, wenn es den Aussetzungsantrag abgewiesen hat, weil die Höhe der Einkommensteuer 1999 und 2000 selbst im Falle einer dem Begehren des Revisionswerbers Rechnung tragenden Erledigung nicht iSd § 212a BAO von der Erledigung der Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid im Verfahren nach § 295 Abs 4 BAO abhängig sei.
Das angefochtene Erkenntnis war daher, soweit es den Bescheid des Finanzamtes vom 5. März 2015 (Abweisung des Antrages auf Aussetzung der Einhebung gem § 212a BAO vom 1. Oktober 2013) betrifft, gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.