06.01.2019 Steuerrecht

VwGH: § 67 EStG (aF) – zur überproportionalen Verlagerung der Lohnbezüge in das erste Halbjahr und der damit verbundenen Optimierung der Sechstelberechnung

Sonstige Bezüge iSd § 67 Abs 1 EStG liegen nach der stRsp des VwGH nur unter der doppelten Bedingung vor, dass sie erstens im Rechtstitel und darüber hinaus zweitens auch durch die tatsächliche Auszahlung deutlich von den laufenden Bezügen zu unterscheiden sind; die Verwaltungspraxis lässt die Behandlung auf die Monatsbezüge nicht des ganzen Jahres verteilter erfolgsabhängiger Bezugsbestandteile als laufender, in die Berechnung des Jahressechstels einzubeziehender Bezug grundsätzlich zu; dieser Betrachtungsweise - mit der die Ausführungen zum 13. und 14. Monatsbezug in Rz 1050 der LStR 2002 nicht in Einklang zu stehen scheinen - ist im vorliegenden Fall beizupflichten, weil die für einen sonstigen Bezug erforderliche deutliche Unterscheidbarkeit von den laufenden Bezügen hinsichtlich der Auszahlung auch bei einem nur in einer Jahreshälfte regelmäßig gewährten Monatsbezug nicht gegeben ist


Schlagworte: Einkommensteuer, sonstige Bezüge, laufende Bezüge, Sechstelberechnung, Weihnachtsremuneration
Gesetze:

 

§ 67 EStG

 

GZ Ro 2017/13/0005, 25.07.2018

 

Betreffend Haftung für Lohnsteuer für alle drei Jahre griff der Prüfer die Gestaltung der jeweils im Jänner eines Kalenderjahres festgesetzten Bezüge bestimmter Geschäftsführer auf. Diese erhielten danach erstens in allen zwölf Monaten des Jahres ein als "laufender Gehalt" bezeichnetes Entgelt in gleichbleibender Höhe, zweitens in den Monaten Jänner bis Juni als weiteren laufenden Bezug ein als "laufende Prämie" bezeichnetes, jährlich variables Entgelt, drittens als sonstigen Bezug einen Urlaubszuschuss im April und viertens als sonstigen Bezug eine Weihnachtsremuneration im Juni. Diese Gestaltung der Bezüge erachtete der Prüfer als missbräuchlich iSd § 22 BAO, weil sie auf Grund der im Gesetz uneingeschränkt vorgesehenen Umrechnung bisher zugeflossener laufender Bezüge auf das Kalenderjahr jeweils im Zeitpunkt der Auszahlung des sonstigen Bezuges die mit § 67 Abs 2 EStG bezweckte Begrenzung der gem § 67 Abs 1 EStG begünstigt zu versteuernden sonstigen Bezüge mit einem Sechstel der laufenden Bezüge ausschalte. Für die Besteuerung der Sonderzahlungen an die betroffenen Geschäftsführer sei daher ein Zufluss des Urlaubszuschusses im Juni und der Weihnachtsremuneration im November "zu unterstellen", was wegen Überschreitung des Jahressechstels eine teilweise Besteuerung der Weihnachtsremuneration wie ein laufender Bezug zur Folge habe.

 

VwGH: Erhält der Arbeitnehmer "neben dem laufenden Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (zB 13. und 14. Monatsbezug, Belohnungen)", so beträgt die Lohnsteuer nach der im vorliegenden Fall noch maßgeblichen Fassung des § 67 Abs 1 EStG grundsätzlich 6%. Soweit die sonstigen, insbesondere einmaligen Bezüge innerhalb eines Kalenderjahres ein Sechstel "der bereits zugeflossenen, auf das Kalenderjahr umgerechneten laufenden Bezüge" übersteigen, sind sie nach der hier noch maßgeblichen Fassung des § 67 Abs 2 EStG "dem laufenden Bezug des Lohnzahlungszeitraumes zuzurechnen, in dem sie ausgezahlt werden".

 

Bei der Umgestaltung der Vorschrift durch das 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl I Nr 22, wurde die Regelung der Besteuerung der das Sechstel übersteigenden sonstigen Bezüge in Abs 2 durch einen Verweis auf Abs 10 ersetzt ("im Auszahlungsmonat nach Abs 10 zu besteuern"). § 67 Abs 10 EStG geht auf den - damals für Fälle ohne laufende Bezüge eingeführten - § 67 Abs 11 EStG 1953 idF der Einkommensteuernovelle 1964 zurück und regelt (ebenfalls) die Besteuerung sonstiger Bezüge "wie ein laufender Bezug". Seit dem Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl I Nr 142/2000, enthält die Bestimmung einen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass so besteuerte sonstige Bezüge das Jahressechstel gem Abs 2 nicht erhöhen. Die Regierungsvorlage legte dazu dar, solche Bezüge blieben "dem Wesen nach sonstige Bezüge". Dies entsprach der Rsp des VwGH zu der im vorliegenden Fall noch anzuwendenden Regelung des § 67 Abs 2 EStG über die "Zurechnung" des das Sechstel überschreitenden Teils eines sonstigen Bezugs zum laufenden.

 

Es trifft demnach zu, wie das BFG unter Berufung auf diese Judikatur hervorhebt, dass die "den laufenden Bezügen zugerechneten sonstigen Bezüge" - es sind dies die das Jahressechstel übersteigenden - sonstige Bezüge bleiben und bei der Berechnung des Jahressechstels nicht zu berücksichtigen sind. Sie sind nur "wie" und nicht "als" laufende Bezüge zu besteuern.

 

Davon zu unterscheiden sind aber - entgegen der Ansicht des BFG - die Fälle, in denen der Auszahlungsmodus zur Verneinung des Vorliegens sonstiger Bezüge führt. Sonstige Bezüge iSd § 67 Abs 1 EStG liegen nach stRsp des VwGH - auf die sich die Revisionswerberin mit Recht beruft - nur unter der doppelten Bedingung vor, dass sie erstens im Rechtstitel und darüber hinaus zweitens auch durch die tatsächliche Auszahlung deutlich von den laufenden Bezügen zu unterscheiden sind. Davon ausgehend ist der Fall einer Verteilung von Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration auf die zwölf Monatsbezüge mit dem vom BFG dazu erwähnten Erkenntnis nicht iSe Besteuerung sonstiger Bezüge "wie" laufende Bezüge, sondern iSe Verneinung des Vorliegens sonstiger Bezüge entschieden worden (VwGH 14.12.1993, 91/14/0038). Die nach einer Äußerung von Doralt, RdW 2010, 240, mit dem Wartungserlass 2010 vom 20. Jänner 2011, AÖF Nr. 79/2011, in diesem Punkt geänderte Darstellung in Rz 1050 der LStR 2002, die das BFG übernommen hat, trifft insoweit nicht zu. Sie widerspricht der Rsp des VwGH, nach der sonstige Bezüge nicht allein "auf Grund des Rechtstitels" vorliegen können.

 

Fraglich könnte nur sein, wie Bezüge zu behandeln sind, die statt auf alle Lohnzahlungszeiträume eines Jahres auf einen zusammenhängenden Teil davon verteilt sind. Ein nicht in allen Einzelheiten festgestellter Fall dieser Art (ab April des Streitjahres ausbezahlte "Boni") war schon der vom VwGH im Erkenntnis vom 30. Oktober 2014, 2011/15/0140, behandelte, in dem die "Boni" schließlich als laufender Bezug gewertet und in die Berechnung des Jahressechstels einbezogen wurden. Die Verwaltungspraxis, auf die sich das BFG in der Revisionszulassung bezieht, lässt die Behandlung auf die Monatsbezüge nicht des ganzen Jahres verteilter erfolgsabhängiger Bezugsbestandteile als laufender, in die Berechnung des Jahressechstels einzubeziehender Bezug grundsätzlich zu. Dieser Betrachtungsweise - mit der die Ausführungen zum 13. und 14. Monatsbezug in Rz 1050 der LStR 2002 nicht in Einklang zu stehen scheinen - ist im vorliegenden Fall beizupflichten, weil die für einen sonstigen Bezug erforderliche deutliche Unterscheidbarkeit von den laufenden Bezügen hinsichtlich der Auszahlung auch bei einem nur in einer Jahreshälfte regelmäßig gewährten Monatsbezug nicht gegeben ist. Wollte man dies nicht so sehen und lägen demnach sonstige Bezüge iSd § 67 Abs 1 EStG vor, so könnte - anders, als dies die Argumentationslinie des BFG anzudeuten scheint - im Übrigen nicht angenommen werden, die Beträge seien "wegen der gewählten Auszahlungsmodalität" von vornherein und nicht nur im Umfang einer Sechstelüberschreitung mit den laufenden Bezügen zu versteuern.

 

Die Revisionswerberin und das Finanzamt hatten die variablen Bezugsteile somit zu Recht als laufende Bezüge behandelt, ohne dass es noch darauf ankäme, ob es sich um Leistungsprämien der vom BFG angenommenen Art handelte, was die Revisionswerberin ebenfalls bestreitet.