OGH: Verbot des Pflegeregresses – zur Frage, ob die Bestimmungen der §§ 330a, 707a ASVG auch das Exekutionsverfahren betreffen
Die vom VfGH vorgenommene Auslegung der außergewöhnlichen Verfassungsbestimmung des § 330a ASVG lässt es konsequent erscheinen, in der Anordnung des § 707a ASVG, dass laufende Verfahren einzustellen sind, (auch) die Schaffung eines selbständigen, von den in der EO normierten unabhängigen Exekutionseinstellungsgrund zu erblicken, der mit einem Antragsrecht der Verpflichteten einhergeht
§ 330a ASVG, § 707a ASVG
GZ 3 Ob 168/18d, 24.10.2018
OGH: Der VfGH hat jüngst in seiner Entscheidung vom 10. Oktober 2018, E 229/2018, Folgendes ausgesprochen:
„Dessen ungeachtet ist gem § 330a ASVG ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten – selbst bei Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung, die vor dem 1. Jänner 2018 ergangen ist – jedenfalls unzulässig.“
Diese (wenn auch obiter und ohne weitere Begründung vertretene, jedoch unmissverständliche) Rechtsansicht bezieht auch titelmäßige Regressforderungen in das Verbot des Pflegeregresses ein. Diese Entscheidung trifft aber keine Aussage dazu, dass ein anhängiges Exekutionsverfahren (ohne weiteres Verfahren außerhalb der Exekution) einzustellen ist.
Zwar ist die rein verfahrensrechtliche Frage, ob das Erstgericht die beantragte Einstellung der Exekution zu Recht ausgesprochen hat, von der inhaltlichen Problematik zu trennen, ob ein „Pflegeregress“ (Vermögenszugriff, Geltendmachung von Ersatzansprüchen) auch aufgrund eines vor 2018 entstandenen Exekutionstitels nicht mehr möglich ist. Die vom VfGH vorgenommene Auslegung der außergewöhnlichen Verfassungsbestimmung des § 330a ASVG lässt es aber konsequent erscheinen, in der Anordnung des § 707a ASVG, dass laufende Verfahren einzustellen sind, (auch) die Schaffung eines selbständigen, von den in der EO normierten unabhängigen Exekutionseinstellungsgrund zu erblicken, der mit einem Antragsrecht der Verpflichteten einhergeht. Es ist unstrittig, dass der betriebene Anspruch Ersatzansprüche iSd § 330a ASVG betrifft, daran anknüpfend sind die erforderlichen Voraussetzungen für die Einstellung nach § 707a ASVG gegeben. Der Verpflichteten war es im Titelverfahren (wegen der erst später erfolgten Rechtsänderung) naturgemäß nicht möglich, das Verbot des Pflegeregresses geltend zu machen.
In Abänderung der Rekursentscheidung ist der erstgerichtliche Beschluss auf Einstellung des Exekutionsverfahrens und Löschung des Pfandrechts daher wiederherzustellen.