24.12.2018 Zivilrecht

OGH: § 9 MRG – zur Frage, ob der Einbau eines zweiten Badezimmers in einer erheblich großen Wohnung als verkehrsüblich angesehen werden kann

Die Schaffung eines zweiten Badezimmers in einer Großwohung fällt nicht unter den Privilegierungstatbestand des § 9 Abs 2 Z 1 MRG; das Rekursgericht hat den Einbau eines zweiten Badezimmers in eine bisher (nur) mit einem 5,42 m² großen, als Durchgangszimmer zwischen Küche und Schlafzimmer konzipierten Badezimmer ausgestattete Großwohnung deshalb als verkehrsüblich angesehen, weil nach der allgemeinen Lebenserfahrung erst durch diese Maßnahme die sanitären Anlagen dieser Wohnung der heutigen Wohnkultur und den Ansprüchen, die Mieter an den Wohnkomfort stellen, entsprächen; diese Beurteilung des vorliegenden Einzelfalls ist keinesfalls unvertretbar


Schlagworte: Mietrecht, Veränderung, zweites Badezimmer in Großwohnung, Verkehrsüblichkeit, Beweislast, Duldungspflicht des Vermieters
Gesetze:

 

§ 9 MRG

 

GZ 5 Ob 100/18v, 03.10.2018

 

OGH: Voraussetzung für die Genehmigung einer vom Mieter geplanten Veränderung ist ua, dass diese Veränderung der Übung des Verkehrs entspricht und einem wichtigen Interesse des Hauptmieters dient (§ 9 Abs 1 Z 2 MRG). Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass beide Voraussetzungen kumulativ vorhanden sind, trifft den Mieter. Nur bei den nach § 9 Abs 2 MG Z 1 bis 5 MRG privilegierten Arbeiten wird das Vorliegen dieser Voraussetzungen unwiderlegbar vermutet.

 

Zu den im § 9 Abs 2 MRG taxativ aufgezählten privilegierten Veränderungen zählen auch die Errichtung und die der Haushaltsführung dienende Umgestaltung von Wasserleitungs-, Lichtleitungs-, Gasleitungs- oder Beheizungsanlagen (einschließlich der Errichtung von zentralen Wärmeversorgungsanlagen) sowie von sanitären Anlagen (§ 9 Abs 2 Z 1 MRG). Die Vorinstanzen vertraten übereinstimmend die Auffassung, die Schaffung eines zweiten Badezimmers in einer Großwohnung falle nicht unter den Privilegierungstatbestand des § 9 Abs 2 Z 1 MRG. Diese auf der Rsp des OGH beruhende, im Schrifttum kritisierte Beurteilung ist im Revisionsrekursverfahren nicht strittig. Ausgehend davon hat die Antragstellerin zu behaupten und zu beweisen, dass die von ihr durchgeführten Maßnahmen kumulativ sowohl der Übung des Verkehrs entsprechen als auch ihrem wichtigen Interesse dienen.

 

Bezüglich der Übung des Verkehrs ist auf objektive Umstände abzustellen. Diese objektiven Umstände sind vom dafür behauptungs- und beweispflichtigen Mieter durch konkrete Tatsachen darzulegen, wenn sich die Verkehrsüblichkeit nicht aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergibt. Gegenstand der Prüfung einer Duldungspflicht des Vermieters kann dabei immer nur die im konkreten Einzelfall beabsichtigte Änderung in ihrer geplanten Ausgestaltung sein. Bei der Beurteilung der Verkehrsüblichkeit iSd § 9 Abs 1 Z 2 MRG kommt es dabei nicht auf die Verkehrsüblichkeit der vom Mieter mit seinem Veränderungsbegehren angestrebten Ausstattung des Mietgegenstands im Allgemeinen an, sondern darauf, ob die konkret beabsichtigte Änderung in ihrer geplanten Ausgestaltung als solche verkehrsüblich ist.

 

Ob die Voraussetzungen für die Duldungspflicht des Vermieters gem § 9 Abs 1 Z 2 iVm § 9 Abs 2 MRG gegeben sind, hängt damit von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind; dabei ist dem Rechtsanwender ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt. Diese Beurteilung wirft daher idR keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf. Nur in Fällen einer die Rechtssicherheit in Frage stellenden Fehlbeurteilung hat der OGH korrigierend einzugreifen.

 

Eine solche im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts liegt hier nicht vor. Dieses hat den Einbau eines zweiten Badezimmers in eine bisher (nur) mit einem 5,42 m² großen, als Durchgangszimmer zwischen Küche und Schlafzimmer konzipierten Badezimmer ausgestattete Großwohnung deshalb als verkehrsüblich angesehen, weil nach der allgemeinen Lebenserfahrung erst durch diese Maßnahme die sanitären Anlagen dieser Wohnung der heutigen Wohnkultur und den Ansprüchen, die Mieter an den Wohnkomfort stellen, entsprächen. Diese Beurteilung des vorliegenden Einzelfalls ist keinesfalls unvertretbar.

 

Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts steht dessen Entscheidung in keinem Widerspruch zur Rsp des OGH. Zu 5 Ob 33/93 verneinte der OGH die Privilegierung des Einbaus eines zweiten Badezimmers in eine Großwohnung nach § 9 Abs 2 Z 1 MRG. Der vom Antragsteller behauptete Duldungsanspruch habe somit den Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Z 2 MRG zur Voraussetzung, nämlich, dass die beabsichtigte Veränderung sowohl der Übung des Verkehrs entspreche, als auch seinem wichtigen Interesse diene. Da der Antragsteller das Vorliegen eines gegenwärtigen, die beantragten Maßnahmen bereits jetzt rechtfertigenden wichtigen Interesses nicht dargetan habe, fehle eine der beiden im § 9 Abs 1 Z 2 MRG für den Duldungsanspruch des Mieters unabdingbar geforderten Voraussetzungen. Damit stand schon fest, dass die Duldungspflicht der Antragsgegner keinesfalls gegeben war. Die Frage, ob diese Maßnahme als der Übung des Verkehrs entsprechend beurteilt werden könnte, konnte daher offen bleiben. In 5 Ob 273/00h sprach der OGH unter Berufung auf 5 Ob 33/93 erneut aus, dass die Schaffung eines zweiten Badezimmers unter keinen der Privilegierungstatbestände des § 9 Abs 2 Z 1 MRG falle. Da ein zweites Badezimmer selbst bei Großwohnungen nicht zum Standard gehöre, habe das Rekursgericht auf Basis einer vertretbaren Rechtsansicht argumentiert, wenn es dem Beseitigungsbegehren der Antragsteller schon allein wegen der mangelnden Verkehrsüblichkeit der von der Antragsgegnerin vorgenommenen Umbauten stattgegeben habe. Diese Qualifikation der Rechtsansicht des die Verkehrsüblichkeit verneinenden Rekursgerichts als vertretbar bezog sich auf die im konkreten Einzelfall beabsichtigte Änderung und ist eine Folge des dem Rekursgericht eingeräumten Beurteilungsspielraums. Eine allgemein gültige Aussage ist daher daraus nicht abzuleiten. Dass der Einbau eines zweiten Badezimmers in einer Großwohnung generell nicht als verkehrsüblich angesehen werden könne, ist also auch dem Zurückweisungsbeschluss 5 Ob 273/00h nicht zu entnehmen.