24.12.2018 Zivilrecht

OGH: Zur Rückabwicklung bei Schneeball- und Pyramidensystemen („Cashback“)

Der Betreiber eines „Cashback-Systems“ hat kein eigenes Forderungsrecht auf Rückzahlung der von ihm erbrachten Mitgliedsvorteile, die Kunden müssen aber im Rahmen ihres Rückforderungsanspruchs das schon Empfangene Zug um Zug zurückzustellen oder - sofern es sich um Geldleistungen handelt - diese in Abzug bringen


Schlagworte: Nichtigkeit, Rückabwicklung, Bereicherung, Kondiktion, Vorteilsausgleichung, Schneeballsystem, Pyramidenspiel, Preis-Rückvergütung, Cashback
Gesetze:

 

§ 879 ABGB, § 877 ABGB, § 2 UWG, § 27 UWG

 

GZ 9 Ob 40/18z, 02.10.2018

 

OGH: Die Kondiktion erfolgt bei verbotenen und sittenwidrigen Verträgen (§ 879 ABGB) nach § 877 ABGB. Danach hat, wer die Aufhebung eines Vertrags aus Mangel der Einwilligung verlangt, dagegen auch alles zurückzustellen, was er aus einem solchen Vertrag zu seinem Vorteil erhalten hat. Die Nichtigkeit des Vertrags führt dazu, dass die Causa für die Vermögensverschiebung wegfällt, was grundsätzlich zur Rückabwicklung des nichtigen Rechtsgeschäfts gem § 877 ABGB führt. Für die Rückabwicklung ist aber auch der Verbotszweck zu beachten: Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung der Leistungen aus einem gem § 879 ABGB nichtigen Rechtsgeschäft ist auf den Zweck der verletzten Norm, die die Ungültigkeit des Geschäfts bewirkt, Bedacht zu nehmen. Will das Verbotsgesetz nur die Entstehung durchsetzbarer Verpflichtungen verhindern, ohne eine tatsächlich vorgenommene Vermögensverschiebung zu missbilligen, so begründet die Nichtigkeit für sich allein keinen Rückforderungsanspruch. Ob das aufgrund eines nichtigen Vertrags Erhaltene zurückzugeben ist, entscheidet daher der Zweck der verletzten Norm.

 

Schneeball- und Pyramidensysteme sind idR dadurch charakterisiert, dass die Teilnehmer einen Einsatz zu leisten haben und durch Anwerbung weiterer Teilnehmer ein wirtschaftlicher Erfolg lukriert wird. Sie sind auf ständiges Wachstum unter ähnlichen Rahmenbedingungen ausgelegt, sodass später angeworbene Teilnehmer aufgrund der Marktübersättigung ihren Einsatz verlieren. Ihre „Schädlichkeit für Publikum und Mitbewerber“ ist unstrittig. Verträge dieser Art sind daher nichtig (§ 27 Abs 3 UWG). Ketten- und Pyramidenspiele sind nach Maßgabe des § 168a StGB auch pönalisiert.

 

Hier hat die Beklagte etliche ihrer Leistungen zumindest formal nicht von der Zuführung neuer Mitglieder durch die Kunden abhängig gemacht, sodass das Kriterium der bedingten Leistungszusicherung nicht erfüllt ist. Der Tatbestand der Z 14 im Anh zu § 2 UWG ist aber weiter gefasst und sieht ein solches Erfordernis nicht vor („Einführung, Betrieb oder Förderung eines Schneeballsystems zur Verkaufsförderung, bei dem der Verbraucher die Möglichkeit vor Augen hat, eine Vergütung zu erzielen, die überwiegend durch das Einführen neuer Verbraucher in das System und weniger durch den Verkauf oder Verbrauch von Produkten zu erzielen ist.“). Es genügt danach, dass der Kunde die (tatsächliche oder vermeintliche) Aussicht hat, eine Vergütung zu erzielen.

 

Eine eigene Rückabwicklungsanordnung sieht das Gesetz nicht vor. Die Wertung des § 27 Abs 4 UWG muss aber auch bei der Rückabwicklung der wechselseitigen Leistungen der Systembeteiligten in Fällen wie dem vorliegenden zum Tragen kommen, weil insoweit die gleiche Interessenlage gegeben ist. Das bedeutet, dass dem Beklagten kein eigenes Forderungsrecht für die Rückzahlung der von ihm erbrachten Mitgliedsvorteile zusteht, Kunden aber im Rahmen ihres Rückforderungsanspruchs zur Vermeidung einer (noch vorhandenen) Bereicherung das schon Empfangene Zug um Zug zurückzustellen oder - sofern es sich um Geldleistungen handelt - diese in Abzug zu bringen haben.