VwGH: Rechtsanwaltskosten (Kontaktrechtsstreit) als außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG?
Nach § 107 Abs 1 Z 1 AußstrG können sich die Parteien im Verfahren über die persönlichen Kontakte nur durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen; damit wird aber nur eine relative Anwaltspflicht vorgesehen; den Eltern steht es auch frei, sich nicht vertreten zu lassen und ihre Interessen selbst wahr zu nehmen; vor diesem gesetzlichen Hintergrund ist die Anrufung des Gerichts im Kontaktrechtsstreit im Allgemeinen nicht zwangsläufig; kommt allerdings eine einvernehmliche Regelung nicht zustande, ist es - auch zur Wahrung des Wohls des Kindes - erforderlich, eine Regelung durch das Gericht herbeizuführen; erweist sich dabei der vom jeweiligen Elternteil eingenommene Standpunkt zumindest zum Teil als berechtigt, kann je nach Lage des Falles eine "aufgezwungene" Prozessführung vorliegen; die damit verbundenen (auch außergerichtlichen) Rechtsanwaltskosten sind allerdings - mangels Anwaltspflicht - grundsätzlich nicht zwangsläufig; besondere Gründe dafür, dass trotz fehlender Anwaltspflicht das Einschreiten eines Rechtsanwaltes unbedingt erforderlich gewesen wäre, sind nicht ersichtlich
§ 34 AußStrG, § 187 ABGB, § 107 AußStrG
GZ Ro 2018/13/0002, 25.07.2018
VwGH: Gem § 34 Abs 1 EStG sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, sie muss zwangsläufig erwachsen, und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.
Nach § 34 Abs 3 EStG erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Es entspricht der vom VwGH in stRsp vertretenen Auffassung, dass Prozesskosten im Allgemeinen nicht zwangsläufig iSd § 34 EStG erwachsen; eine allgemeine Regel lässt sich allerdings bei aufgezwungener Prozessführung nicht aufstellen. Zwangsläufigkeit von Prozesskosten wird stets dann verneint, wenn die Prozessführung auf Tatsachen zurückzuführen ist, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden oder die sonst die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat.
Die Revision schildert zutreffend, dass zwischen der Mitbeteiligten und G nicht die Obsorge (§ 177 ABGB) strittig war (die Obsorge kam nach einer am 14. Februar 2013 erfolgten pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung einer Vereinbarung der Mitbeteiligten und G gemeinsam zu; so auch im Beschluss des Bezirksgerichts vom 28. April 2015 geschildert: gemeinsame Obsorge, Haushalt der hauptsächlichen Betreuung ist bei der Mutter).
Strittig war das Kontaktrecht (§ 187 ABGB) und damit verbunden auch der Unterhaltsanspruch für das gemeinsame Kind. G beantragte insoweit ein Kontaktrecht, das einer Betreuung im Ausmaß von 50% entsprechen sollte; dazu beantragte er, das Kontaktrecht so festzulegen, dass dies - alle zwei Wochen - von Montag nach dem Kindergarten bis Mittwoch früh bis zum Kindergarten und von Freitag nach dem Kindergarten bis zum folgenden Mittwoch früh bis zum Kindergarten erfolgen solle. Die Mitbeteiligte beantragte hingegen, das Kontaktrecht in der Weise festzulegen, dass dieses G - alle zwei Wochen - von Montag ab dem Kindergarten bis Mittwoch Kindergartenbeginn sowie Freitag nach dem Kindergarten bis Montag Kindergartenbeginn zukommen solle; in dieser Weise sei das Kontaktrecht auch bisher gehandhabt worden. Vereinbart wurde schließlich - am 11. Februar 2016 - das Kontaktrecht in der Weise, dass das Kind die Zeiten von Montag 9.30 bis Mittwoch 9.30 sowie von Freitag 9.30 bis Montag 19 Uhr (der darauf folgenden Woche) beim Vater verbringe.
Damit war auch das Kontaktrecht nicht grundsätzlich strittig; strittig war vielmehr nur ein Kontaktrecht (alle zwei Wochen) für den Zeitraum Montag Kindergartenbeginn (so der Vorschlag der Mitbeteiligten) bis Mittwoch Kindergartenbeginn (so der Vorschlag von G).
Wenn das BFG zur Berücksichtigung der Aufwendungen auf Rsp des deutschen Bundesfinanzhofs (4.12.2001, III R 31/00, BStBl. II 2002, 382) verweist, so betraf jene Entscheidung einen Fall, in welchem einem Elternteil vom anderen Elternteil der "Umgang" mit dem Kind völlig versagt wurde, obwohl er sich ihnen gegenüber nichts hatte zu Schulden kommen lassen. Der Bundesfinanzhof kam dabei zur Ansicht, dass die völlige Verweigerung des Umgangs mit den eigenen Kindern zu einer tatsächlichen Zwangslage führen könne, die die Anrufung des Vormundschaftsgerichts für diesen Elternteil unabweisbar gemacht habe. Im Übrigen - bei nicht völliger Versagung des Umgangsrechts - nimmt aber der Bundesfinanzhof in stRsp insoweit keine außergewöhnlichen Belastungen an.
Nach § 187 Abs 1 ABGB haben das Kind und jeder Elternteil das Recht auf regelmäßige und den Bedürfnissen des Kindes entsprechende persönliche Kontakte. Die persönlichen Kontakte sollen das Kind und die Eltern einvernehmlich regeln. Soweit ein solches Einvernehmen nicht erzielt wird, hat das Gericht auf Antrag des Kindes oder eines Elternteils diese Kontakte in einer dem Wohl des Kindes entsprechenden Weise zu regeln und die Pflichten festzulegen. Auch im gerichtlichen (außerstreitigen) Verfahren können Vereinbarungen über die persönlichen Kontakte getroffen werden. Soweit dadurch der Verfahrensgegenstand inhaltlich erledigt wurde, ist das Verfahren ohne weiteres beendet (§ 109 Abs 1 AußstrG).
Nach § 107 Abs 1 Z 1 AußstG können sich die Parteien im Verfahren über die persönlichen Kontakte nur durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Damit wird aber nur eine relative Anwaltspflicht vorgesehen; den Eltern steht es auch frei, sich nicht vertreten zu lassen und ihre Interessen selbst wahr zu nehmen.
Vor diesem gesetzlichen Hintergrund ist die Anrufung des Gerichts im Kontaktrechtsstreit im Allgemeinen nicht zwangsläufig. Kommt allerdings eine einvernehmliche Regelung nicht zustande, ist es - auch zur Wahrung des Wohls des Kindes - erforderlich, eine Regelung durch das Gericht herbeizuführen. Erweist sich dabei der vom jeweiligen Elternteil eingenommene Standpunkt zumindest zum Teil als berechtigt, kann je nach Lage des Falles eine "aufgezwungene" Prozessführung vorliegen.
Die damit verbundenen (auch außergerichtlichen) Rechtsanwaltskosten sind allerdings - mangels Anwaltspflicht - grundsätzlich nicht zwangsläufig. Besondere Gründe dafür, dass trotz fehlender Anwaltspflicht das Einschreiten eines Rechtsanwaltes unbedingt erforderlich gewesen wäre, sind nicht ersichtlich.