11.12.2018 Verfahrensrecht

OGH: Verbesserungsauftrag iZm Berufung

Die Erstversion der Berufung litt nicht nur am Fehlen eines Rechtsmittelantrags, sondern war auch inhaltlich insoweit unvollständig, als die Ausführung des mit Punkt 1. (dem kein weiterer Punkt folgte) bezeichneten Rechtsmittelgrundes der unrichtigen Tatsachenfeststellung mitten im Satz endete und nur mehr das Kostenverzeichnis folgte; da jeglicher Anhaltspunkt für eine Rechtsmissbräuchlichkeit oder Absichtlichkeit iZm dem Inhaltsmangel fehlt, haben die Vorinstanzen zu Recht ein Verbesserungsverfahren eingeleitet; wenn nun der Beklagte die im fragmentarischen Rechtsmittel vorhandenen – teilweise mit einem Platzhalter („[o]“) gekennzeichneten – Auslassungen im verbesserten Schriftsatz vervollständigt bzw auch eine inhaltlich belanglose Satzkorrektur vorgenommen hat, übersteigt dies nicht den Rahmen der aufgetragenen Verbesserung; der Umstand, dass im ursprünglich eingebrachten Rechtsmittel rudimentär ausschließlich auf den Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung eingegangen wurde – wobei die weiteren Berufungsgründe aufgrund der Platzhalter und der Textnummerierung ganz offensichtlich aus Versehen nicht in den Schriftsatz Eingang gefunden haben –, kann dem Beklagten schon deshalb nicht derart zum Nachteil gereichen, dass die verbesserte Berufungsschrift auf diesen Rechtsmittelgrund zu beschränken wäre, weil auch ein „leeres Rechtsmittel“ verbessert werden kann, soweit kein Missbrauch anzunehmen ist


Schlagworte: Berufung, Verbesserungsauftag, inhaltliche Mängel, Einmaligkeit des Rechtsmittels
Gesetze:

 

§ 84 ZPO, § 465 ZPO

 

GZ 4 Ob 190/18x, 23.10.2018

 

Der Beklagte macht geltend, er habe zunächst versehentlich nur eine Vorversion der Berufungsschrift eingebracht anstelle der bereits fertigen Finalversion; letztere sei dann in Erfüllung des Verbesserungsauftrags nachgereicht worden. Es liege daher keine neue, sondern lediglich eine verbesserte und vervollständigte Berufungsschrift vor.

 

OGH: Jeder Partei steht nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zu. Die durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 geschaffenen erweiterten Verbesserungsmöglichkeiten haben an diesem Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels nichts geändert.

 

Nach der Rsp ist ein Austausch (oder die Verbesserung) von Rechtsmittelschriften zulässig, wenn die ursprüngliche Rechtsmittelschrift an einem den erweiterten Verbesserungsvorschriften entsprechenden Mangel gelitten hat. (Nur) wenn kein fehlerhaftes Rechtsmittel vorgelegen ist, ist der Austausch unzulässig. Die Einbringung eines neuen Rechtsmittels neben oder anstatt des ursprünglichen wird somit (nur) in jenen Fällen als unzulässig angesehen, in denen der Rechtsmittelwerber ein formal einwandfreies, zur meritorischen Behandlung geeignetes Rechtsmittel einbringt und dieses (noch während der Rechtsmittelfrist) abändern oder ergänzen will.

 

Fehlt einem fristgebundenen Schriftsatz ein Inhaltserfordernis iSd § 84 Abs 3 ZPO, dann ist ein Verbesserungsverfahren einzuleiten; das gilt nach § 474 Abs 2 Satz 2 ZPO auch für das Fehlen des Rechtsmittelantrags in einem Rechtsmittelschriftsatz. Als Inhaltsmangel ist auch die mangelnde Begründung eines Rechtsmittels zu werten. Nur inhaltliche Mängel im Sinne sachlich unrichtiger oder unschlüssiger Ausführungen sind nicht verbesserungsfähig.

 

Nach den Intentionen des Gesetzgebers sollen durch die Erteilung von Verbesserungsaufträgen gerade jene Personen vor prozessualen Nachteilen geschützt werden, die versehentlich oder in Unkenntnis gesetzlicher Vorschriften Fehler begehen. Nur dann, wenn eine Partei prozessuale Formvorschriften absichtlich und rechtsmissbräuchlich verletzt, ist ihr diese Möglichkeit zu versagen.

 

Im vorliegenden Fall litt die Erstversion der Berufung nicht nur am Fehlen eines Rechtsmittelantrags, sondern war auch inhaltlich insoweit unvollständig, als die Ausführung des mit Punkt 1. (dem kein weiterer Punkt folgte) bezeichneten Rechtsmittelgrundes der unrichtigen Tatsachenfeststellung mitten im Satz endete und nur mehr das Kostenverzeichnis folgte. Da jeglicher Anhaltspunkt für eine Rechtsmissbräuchlichkeit oder Absichtlichkeit iZm dem Inhaltsmangel fehlt, haben die Vorinstanzen zu Recht ein Verbesserungsverfahren eingeleitet.

 

Wenn nun der Beklagte die im fragmentarischen Rechtsmittel vorhandenen – teilweise mit einem Platzhalter („[o]“) gekennzeichneten – Auslassungen im verbesserten Schriftsatz vervollständigt bzw auch eine inhaltlich belanglose Satzkorrektur vorgenommen hat, übersteigt dies nicht den Rahmen der aufgetragenen Verbesserung. Der Umstand, dass im ursprünglich eingebrachten Rechtsmittel rudimentär ausschließlich auf den Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung eingegangen wurde – wobei die weiteren Berufungsgründe aufgrund der Platzhalter und der Textnummerierung ganz offensichtlich aus Versehen nicht in den Schriftsatz Eingang gefunden haben –, kann dem Beklagten schon deshalb nicht derart zum Nachteil gereichen, dass die verbesserte Berufungsschrift auf diesen Rechtsmittelgrund zu beschränken wäre, weil auch ein „leeres Rechtsmittel“ verbessert werden kann, soweit kein Missbrauch anzunehmen ist.

 

Der Beklagte ist daher dem Verbesserungsauftrag iZm seiner Berufung ordnungsgemäß nachgekommen. Seinem Rekurs ist somit Folge zu geben, der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und dem Berufungsgericht ist die Entscheidung über die (verbesserte) Berufung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.