11.12.2018 Zivilrecht

OGH: Unfall während Rückwärtsfahrt mit einem Teleskopstapler als unabwendbares Ereignis iSd § 9 EKHG?

Nur wenn der Lenker des Fahrzeugs nach den gegebenen Umständen nicht mit der Anwesenheit fremder Personen rechnen muss und er annehmen kann, dass die auf dem Gelände anwesenden Personen sich nicht im Gefahrenbereich hinter dem Fahrzeug aufhalten oder mit den entsprechenden Vorgängen vertraut sind und diese entsprechend beachten werden, kann er auch ohne Einweisung durch eine andere Person mit dem Fahrzeug rückwärts fahren


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Gefährdungshaftung, unabwendbares Ereignis, Rückwärtsfahrt mit Teleskopstapler, Einweiser
Gesetze:

 

§ 9 EKHG

 

GZ 2 Ob 86/18p, 24.09.2018

 

OGH: Das Rückwärtsfahren verlangt auch in Betrieben und auf Baustellen besondere Vorsicht und erhöhte Aufmerksamkeit. Hat der Lenker keine genügende Sicht nach hinten und ist mit dem Auftauchen anderer Verkehrsteilnehmer zu rechnen, dann erfordert die Verkehrssicherheit die Verwendung eines Einweisers beim Rückwärtsfahren. Auch auf einer Baustelle oder einem abgeschlossenen Betriebsgelände hat ein Fahrer auf die dort beschäftigten Arbeiter oder anderen anwesenden Personen zu achten. Nur wenn der Lenker des Fahrzeugs nach den gegebenen Umständen nicht mit der Anwesenheit fremder Personen rechnen muss und er annehmen kann, dass die auf dem Gelände anwesenden Personen sich nicht im Gefahrenbereich hinter dem Fahrzeug aufhalten oder mit den entsprechenden Vorgängen vertraut sind und diese entsprechend beachten werden, kann er auch ohne Einweisung durch eine andere Person mit dem Fahrzeug rückwärts fahren. Ob derartige Umstände vorliegen, hängt von der Beurteilung des Einzelfalls ab. Auch in den von der Rechtsmittelwerberin als „uneinheitlich“ bezeichneten Entscheidungen waren unterschiedliche Sachverhalte zu beurteilen (8 Ob 54/87 ZVR 1988/115: Arbeiten auf einer Ackerfläche; 2 Ob 240/67 ZVR 1968/206: LKW-Beladung alle 10–12 Minuten bei einer Teermischanlage; 2 Ob 104/89 ZVR 1990/90: Betonzulieferung auf einer Autobahn-Großbaustelle mit bis zu 20 LKW, Beistellung von Einweisern unmöglich).

 

Im vorliegenden Fall waren bei den erst einen Vormittag lang andauernden Arbeiten insgesamt zehn bis 17 Personen tätig, die am selben Tag über den Arbeitseinsatz mit dem Stapler informiert worden waren, darunter der Kläger als Arbeiter eines dritten Unternehmens. Wenn die Vorinstanzen daher von einem Verschulden des Erstbeklagten ausgingen, weil sich dieser aufgrund des erheblichen toten Sichtwinkels beim Rückwärtsfahren eines Einweisers hätte bedienen müssen, liegt keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung vor. Damit scheidet aber auch die Berufung auf ein unabwendbares Ereignis iSd § 9 Abs 1 EKHG aus.