26.11.2018 Zivilrecht

OGH: § 231 ABGB – Anspannung des Unterhaltsschuldners bei Auslandsbeziehungen iZm Rückkehr ins Heimatland sowie für den österreichischen Markt ungenügender Deutschkenntnisse

Zieht der Unterhaltspflichtige aus berücksichtigungswürdigen Motiven – und nicht etwa zur Umgehung der Unterhaltspflicht – ins Ausland, so darf ihm ein solcher Entschluss nicht zum Nachteil gereichen; dann ist der Unterhaltsbemessung das vom Unterhaltspflichtigen im Ausland erzielte oder erzielbare Einkommen zu Grunde zu legen; zutreffend ist zwar, dass allgemein zur Obliegenheit, sich dauernd und intensiv um einen Arbeitsplatz zu bemühen, auch die Pflicht gehört, die erforderlichen Sprachkenntnisse zu erwerben, um sich auf dem Arbeitsmarkt behaupten zu können; ohne besonders rücksichtswürdige Umstände, etwa im Hinblick auf die intellektuellen Fähigkeiten, sind bei einem mehrjährigen Aufenthalt im Gastland ausreichende Sprachkenntnisse zu erwarten, um sich auch im Arbeitsleben verständigen zu können; hier hat die Mutter allerdings vorgebracht, sie sei während aufrechter Ehe vom Vater daran gehindert worden, regelmäßig Sprachkurse zu besuchen; da Feststellungen dazu fehlen, dass und aus welchen Gründen es die Mutter verabsäumt hat, die deutsche Sprache in einem für eine Erwerbstätigkeit im Inland erforderlichen Ausmaß zu erlernen, entbehrt die Schlussfolgerung des Rekursgerichts, allfällige ungenügende Deutschkenntnisse der Mutter gereichten ihr iSd Anspannungsgrundsatzes jedenfalls zum Vorwurf, einer Tatsachengrundlage.


Schlagworte: Familienrecht, Auslandsbeziehungen, Anspannung, Rückkehr ins Heimatland, ungenügende Deutschkenntnisse
Gesetze:

 

§ 231 ABGB

 

GZ 8 Ob 115/18x, 24.09.2018

 

OGH: Eine Anspannung auf tatsächlich nicht erzieltes Einkommen darf (nur) dann erfolgen, wenn den Unterhaltsschuldner ein Verschulden daran trifft, dass er keine oder keine die Unterhaltspflichten deckende Erwerbstätigkeit ausübt. Das Verschulden kann in vorsätzlicher Unterhaltsflucht bestehen, es genügt aber auch (leicht) fahrlässige Herbeiführung des Einkommensmangels durch Außerachtlassung pflichtgemäßer zumutbarer Einkommensbemühungen. Maßstab hierfür ist stets das Verhalten eines pflichtbewussten, rechtstreuen Elternteils in der Situation des Unterhaltsschuldners.

 

Der OGH hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass einem unterhaltspflichtigen Elternteil ausländischer Herkunft – mag er auch zwischenzeitig die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten haben – nicht verwehrt werden könne, nach Scheidung der in Österreich geschlossenen Ehe (oder Auflösung der Lebensgemeinschaft) wieder in sein Heimatland zurückzukehren, um dort

einer Beschäftigung nachzugehen. Zieht der Unterhaltspflichtige aus berücksichtigungswürdigen Motiven – und nicht etwa zur Umgehung der Unterhaltspflicht – ins Ausland, so darf ihm ein solcher Entschluss nicht zum Nachteil gereichen; dann ist der Unterhaltsbemessung das vom Unterhaltspflichtigen im Ausland erzielte oder erzielbare Einkommen zu Grunde zu legen. Dabei ist nicht maßgeblich, ob sich die zu beurteilende Entscheidung des Unterhaltspflichtigen in rückschauender Betrachtung als bestmöglich erweist, vielmehr ist allein bedeutsam, ob sie nach den jeweils gegebenen konkreten Umständen im Entscheidungszeitpunkt als vertretbar anzuerkennen ist.

 

Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlen Feststellungen dazu, wann und aus welchen Beweggründen die Mutter in den letzten Jahren in Ägypten aufhältig war bzw ob sie derzeit dort wohnhaft ist, um abschließend beurteilen zu können, ob sie auf ein in Österreich oder aber (zumindest teilweise) nur auf ein in Ägypten erzielbares Einkommen anzuspannen ist.

 

Ungeachtet dieser Erwägungen ist der Sachverhalt noch in anderer Hinsicht ergänzungsbedürftig: Die Mutter beanstandet als Mangelhaftigkeit des zweitinstanzlichen Verfahrens, dass das Rekursgericht ihrer Beweisrüge, sie verfüge tatsächlich nicht über die vom berufskundlichen Sachverständigen bloß aufgrund vorgelegter Zertifikate unterstellten Kenntnisse der deutschen Sprache (B1 Niveau), entgegnet hat, ihr sei anzulasten, die deutsche Sprache nicht ausreichend gut erlernt zu haben.

 

Zutreffend ist zwar, dass allgemein zur Obliegenheit, sich dauernd und intensiv um einen Arbeitsplatz zu bemühen, auch die Pflicht gehört, die erforderlichen Sprachkenntnisse zu erwerben, um sich auf dem Arbeitsmarkt behaupten zu können. Ohne besonders rücksichtswürdige Umstände, etwa im Hinblick auf die intellektuellen Fähigkeiten, sind bei einem mehrjährigen Aufenthalt im Gastland ausreichende Sprachkenntnisse zu erwarten, um sich auch im Arbeitsleben verständigen zu können.

 

Hier hat die Mutter allerdings vorgebracht, sie sei während aufrechter Ehe vom Vater daran gehindert worden, regelmäßig Sprachkurse zu besuchen. Zwischen 1. 4. 2013 bis 31. 12. 2017 soll sie lediglich 24 von insgesamt 57 Monaten in Österreich aufhältig gewesen sein. Da Feststellungen dazu fehlen, dass und aus welchen Gründen es die Mutter verabsäumt hat, die deutsche Sprache in einem für eine Erwerbstätigkeit im Inland erforderlichen Ausmaß zu erlernen, entbehrt die Schlussfolgerung des Rekursgerichts, allfällige ungenügende Deutschkenntnisse der Mutter gereichten ihr iSd Anspannungsgrundsatzes jedenfalls zum Vorwurf, einer Tatsachengrundlage.

 

Aufgrund sekundärer Feststellungsmängel waren die Entscheidungen der Vorinstanzen in Stattgebung des Revisionsrekurses aufzuheben. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren nach entsprechenden Erhebungen Feststellungen zu den tatsächlichen Deutschkenntnissen der Mutter und den Ursachen allfälliger diesbezüglicher Defizite sowie zur Dauer ihrer Aufenthalte in ihrem Heimatland und deren Motiven zu treffen haben, um danach neuerlich zu beurteilen, ob und wenn ja, auf welchen Unterhalt sie anzuspannen ist.