05.11.2018 Zivilrecht

OGH: Zum Verhältnis zwischen Schutz der Privatsphäre und Pressefreiheit

Dass einem Artikel Informationen entnommen werden können, die bei geschickter Abfrage mittels Internet-Suchmaschinen das Auffinden der Liegenschaftsadresse ermöglichen, ist dem Bestehen moderner Informationstechnologien geschuldet und kann nicht zu inhaltlichen Beschränkungen der journalistischen Arbeit führen


Schlagworte: Persönlichkeitsrechte, Schutz der Privatsphäre, freie Meinungsäußerung, Pressefreiheit, Interessenabwägung, Angabe der Wohnadresse, Auffindbarkeit im Internet
Gesetze:

 

§ 16 ABGB, § 1330 ABGB, Art 8 EMRK, Art 10 EMRK, § 7 MedienG

 

GZ 4 Ob 69/18b, 23.08.2018

 

OGH: Bei der gebotene Interessenabwägung zwischen dem Schutz der Privatsphäre (Art 8 EMRK) und der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit (Art 10 EMRK) sind folgende Kriterien zu beachten: a) Leistet die Veröffentlichung einen Beitrag zu einer Diskussion über eine Frage von allgemeinem Interesse? b) Bekanntheitsgrad des Betroffenen und Gegenstand des Berichts, c) Vorverhalten des Betroffenen, d) Inhalt, Form und Folgen der Veröffentlichung, e) ein Zusammenhang und die Begleitumstände der Informationserlangung bzw der Aufnahme sowie f) allenfalls die Schwere der verhängten Sanktionen (Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Grundrecht).

 

Im hier beanstandeten Artikel werden weder die Adresse noch in unzulässiger Weise sonstige „Wohnverhältnisse“ des Klägers veröffentlicht. Die Angabe der Lage und Art der Immobilie (Nobelbezirk, repräsentative Villa, malerischer Park) lässt allein den Schluss zu, dass es sich - wie bei einem Kaufpreis von € 35 Mio auch nicht anders zu erwarten - um eine Luxusimmobilie handelt; weitere Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Klägers sind damit nicht möglich, sodass ein Eingriff in den geschützten Kernbereich dadurch nicht vorliegt. In einem solchen Fall besteht zwar ebenfalls ein berechtigtes Interesse des Klägers, dass die (wenngleich nur ungefähre) Lage und weitere Angaben zur von ihr bewohnten Villa nicht öffentlich gemacht werden (Art 8 EMRK). Dieses Interesse ist aber mit dem ebenfalls grundrechtlich geschützten Interesse der beklagten Zeitung an der Berichterstattung (Art 10 EMRK) abzuwägen.

 

Die Wohnadresse des Klägers wurde im Artikel bewusst nicht genannt. Die Angabe des Namens eines der Voreigentümer (eines Großvaters des Klägers mit anderem Familiennamen) erfüllt ersichtlich den Zweck, die Geschichte der Liegenschaft sowie die familiäre Nahebeziehung des Klägers zu ihr (für den Kläger positiv) nachzuzeichnen. Dass daraus Informationen entnommen werden können, die bei geschickter Abfrage mittels Internet-Suchmaschinen das Auffinden der Liegenschaftsadresse ermöglichen, ist dem Bestehen moderner Informationstechnologien geschuldet und kann nicht dazu führen, dem Beklagten als Verfasser einer Wortberichterstattung in seiner journalistischen Arbeit inhaltliche Beschränkungen aufzuerlegen. Der Kläger hat die Möglichkeit interessierter Leser zur weiteren Recherche ebenso hinzunehmen wie den Umstand, dass auch im öffentlichen Grundbuch die Namen von Liegenschaftseigentümern ersichtlich sind, wobei im Fall von juristischen Personen deren Organe und idR auch die Gesellschafter im (ebenfalls öffentlichen) Firmenbuch eingesehen werden können.