OGH: Zur Beweislast für die Erschöpfung des Markenrechts
Um eine Marktabschottung bejahen zu können, bedarf es konkreter Anhaltspunkte, dass eine konkrete Gefahr einer Abschottung der Märkte innerhalb des EWR drohe, wenn der Beklagte seine Bezugsquellen offenlegen müsste
Art 13 UMV, § 10b MSchG, Art 7 MarkenRL, Art 34 AEUV, Art 36 AEUV
GZ 4 Ob 166/17s, 19.04.2018
OGH: Gem Art 13 Abs 1 UMV gewährt eine Unionsmarke ihrem Inhaber nicht das Recht, die Benutzung der Marke für Waren zu untersagen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht worden sind (Erschöpfung; vgl § 10b Abs 1 MSchG iVm Art 7 Abs 1 MarkenRL). Das Ausschließlichkeitsrecht des Markeninhabers fällt daher weg, wenn er (ausdrücklich oder konkludent) seine Zustimmung zum In-Verkehr-Bringen im EWR erteilt oder wenn er die Ware selbst im EWR in Verkehr bringt.
Die Erschöpfung des Markenrechts ist nur auf Einwand des Beklagten zu prüfen. Der Beklagte hat dabei zu behaupten und zu beweisen, dass die betroffenen Waren vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung im EWR auf den Markt gebracht wurden. Stattdessen kann er aber auch behaupten und beweisen, dass - etwa wegen eines ausschließlichen Vertriebssystems - eine Abschottung der Märkte innerhalb des EWR droht, wenn er seine Bezugsquellen offenlegen müsste. Gelingt ihm dieser Beweis, hat sodann der Kläger zu behaupten und zu beweisen, dass die betroffenen Waren erstmals außerhalb des EWR auf den Markt gebracht wurden. Gelingt dem Kläger dieser Beweis, müsste dann der Beklagte die Zustimmung des Markeninhabers zu einem (weiteren) Inverkehrbringen im EWR beweisen.
Diese Umkehr der Beweislast hinsichtlich des Inverkehrbringens im EWR beruht auf der Rsp des EuGH, dass die Voraussetzungen der Erschöpfung grundsätzlich vom Dritten, der sich darauf beruft, zu beweisen sind. Die Erfordernisse des in Art 34 und 36 AEUV verankerten Schutzes des freien Warenverkehrs können jedoch eine Modifizierung dieser Beweisregel gebieten. Dies ist dann der Fall, wenn diese Regel den Markeninhabern ermöglichen könnte, die nationalen Märkte abzuschotten. Eine solche Gefahr besteht etwa in Fällen, in denen der Markeninhaber seine Waren im EWR über ein ausschließliches Vertriebssystem in den Verkehr bringt. Eine Marktabschottung liegt dann vor, wenn grenzüberschreitende Lieferungen im Binnenmarkt nachhaltig und erfolgreich unterbunden werden, etwa wenn in allen Ländern des EWR jeweils nur ein Alleinvertriebsberechtigter (Generalimporteur) für die Markenwaren existiert und auf diese Weise ein unterschiedliches Preisniveau zwischen den Mitgliedstaaten aufrecht erhalten werden kann.
Ziel der Beweislastumkehr ist, die Durchsetzung eines Anspruchs zu verhindern, der der Warenverkehrsfreiheit in der Gemeinschaft zuwiderläuft. Das Markenrecht soll nicht dazu dienen, die Beibehaltung eventueller Preisunterschiede zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten zu fördern. Dies kann auch unterhalb der kartellrechtlichen Verbotstatbestände der Fall und auch bei selektiven Vertriebssystemen im Einzelfall gegeben sein. Um aber die Marktabschottung bejahen zu können, bedarf es konkreter Anhaltspunkte, dass eine konkrete Gefahr einer Abschottung der Märkte innerhalb des EWR drohe, wenn die Beklagte ihre Bezugsquellen offenlegen müsste.