24.09.2018 Zivilrecht

OGH: Zur Genehmigungsfiktion des § 5 VersVG

§ 5 Abs 2 und 3 VersVG gelten nur für Abweichungen des Inhalts des Versicherungsscheins vom Antrag, die dem Versicherungsnehmer ungünstig sind, nicht jedoch bei solchen, die für ihn günstig sind


Schlagworte: Versicherungsvertragsrecht, Abweichungen des Versicherungsscheins vom Antrag, Versicherungspolizze, Genehmigungsfiktion, Günstigkeitsvergleich
Gesetze:

 

§ 5 VersVG

 

GZ 7 Ob 114/18t, 04.07.2018

 

OGH: § 5 Abs 1 VersVG bestimmt, dass eine Abweichung des Inhalts des Versicherungsscheins vom Antrag oder den getroffenen Vereinbarungen als genehmigt gilt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Empfang des Versicherungsscheins in geschriebener Form widerspricht. Diese Genehmigung ist nach § 5 Abs 2 VersVG jedoch nur dann anzunehmen, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer bei Übermittlung des Versicherungsscheins darauf hingewiesen hat, dass Abweichungen als genehmigt gelten, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Empfang des Versicherungsscheins in geschriebener Form widerspricht. Der Hinweis hat durch besondere Mitteilung in geschriebener Form oder durch einen auffälligen Vermerk im Versicherungsschein, der aus dem übrigen Inhalt des Versicherungsscheins hervorzuheben ist, zu geschehen. Auf die einzelnen Abweichungen ist besonders aufmerksam zu machen. Hat der Versicherer den Vorschriften des Abs 2 nicht entsprochen, so ist nach § 5 Abs 3 VersVG die Abweichung für den Versicherungsnehmer unverbindlich und der Inhalt des Versicherungsantrags insoweit als vereinbart anzusehen.

 

Zum Schutz des Versicherungsnehmers ist die Genehmigungsfiktion des § 5 VersVG nur dann anzunehmen, wenn der Versicherer bei Aushändigung des Versicherungsscheins auf die abweichende Rechtsfolge und das Widerspruchsrecht hingewiesen hat; dieser Hinweis hat entweder durch besondere schriftliche Mitteilung oder durch einen auffälligen Vermerk im Versicherungsschein, der aus dem übrigen Inhalt hervorzuheben ist, zu geschehen; ferner ist auf die Abweichungen aufmerksam zu machen. Bei diesen 3 Voraussetzungen handelt es sich um kumulative; selbst wenn der einen oder anderen entsprochen wird, jedoch nicht alle zusammen erfüllt sind, kann es nicht zur Genehmigungsfiktion durch den Versicherungsnehmer nach dieser Gesetzesstelle kommen.

 

§ 5 Abs 1 VersVG findet auf alle Abweichungen des Versicherungsscheins vom Versicherungsantrag ohne Rücksicht darauf Anwendung, ob der Versicherungsnehmer durch die Abweichung benachteiligt oder begünstigt wird. Dagegen betreffen die in § 5 Abs 2 und 3 VersVG enthaltenen Vorschriften nur solche Abweichungen, die den Versicherungsnehmer benachteiligen. § 5 Abs 2 und 3 VersVG gelten daher nur bei solchen Abweichungen, die dem Versicherungsnehmer ungünstig sind, nicht jedoch bei solchen, die für ihn günstig sind. Enthält der Versicherungsschein zum Teil für den Versicherungsnehmer günstige, zum Teil ungünstige Abweichungen oder hängt es vom Lauf der Dinge ab, ob sich eine Abweichung als günstig oder ungünstig erweist, so gilt § 5 Abs 3 VersVG, wenn der Versicherer auf die ungünstige und/oder „neutrale“ Abweichung nicht hingewiesen hat.